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Über das Erkennen sexueller Funktionsstoerungen spricht Jenz Steiner mit Rebekka Schwesig

Über das Erkennen sexueller Funktionsstoerungen spricht Jenz Steiner mit Rebekka Schwesig

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Rebekka Schwesig entwickelt mit ihrem Team an der TU Dresden einen Fragebogen, der es Ärzt*innen und Therapeut*innen leichter machen soll, sexuelle Funktionsstörungen zu erkennen. Über ihre Arbeit und ihre aktuelle Studie sprach sie mit Jenz Steiner. Mehr Infos hier: https://tu-dresden.de/mn/psychologie/ikpp/behavioralpsy/forschung/disex-studie

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Rebecca Schwesig, an expert in the diagnosis of sexual dysfunction in women, discusses her research at TU Dresden. They are focused on improving the detection of sexual dysfunction in women, as studies show that many women suffer from these issues but few are diagnosed or treated. They are developing an interview guide to help therapists identify sexual dysfunction and are currently testing its effectiveness. The study involves inviting women who experience sexual problems to participate in interviews using the guide. The data collected is securely stored and participants can find more information about the study on the TU Dresden website. Schwesig explains that sexual dysfunction is a broad term that includes various sexual problems, such as reduced desire, arousal difficulties, orgasm problems, and pain during penetration. She emphasizes the societal pressure for individuals to conform to certain expectations regarding sexuality, which can lead to feelings of inadequacy and relations Sexualität ist ja nach wie vor so ein Thema, über das man nicht so gerne redet, gerade dann, wenn es nicht so gut läuft und man den eigenen Ansprüchen und Erwartungen und den Ansprüchen und Erwartungen der PartnerInnen nicht so hundertprozentig entsprechen kann. Rebecca Schwesig ist Expertin für die Diagnostik von sexuellen Funktionsstörungen bei Frauen, kennt sich in diesem Thema supergut aus und sie ist heute hier, hallo! Hallo, ich bin's. Was untersucht ihr an der TU Dresden? Wir beschäftigen uns insbesondere damit, wie man die Erkennung von sexuellen Funktionsstörungen bei Frauen verbessern kann, denn wir merken oder wissen auch aus Studien, dass viele Frauen in der Allgemeinbevölkerung unter sexuellen Funktionsstörungen leiden, also man schätzt tatsächlich, dass es so ungefähr 18% sind, was eine enorm hohe Prävalenzrate ist und gleichzeitig wissen wir aber, dass nur sehr wenige Frauen damit diagnostiziert oder behandelt werden und das wollen wir ändern. Was ist eine Prävalenzrate? Das ist die Vorkommenshäufigkeit, also wie häufig sexuelle Funktionsstörungen vorkommen in der Bevölkerung. Wie könnt ihr das denn messen? Häufig wird das in Studien durch Fragebögen gemessen, also da bekommen die Personen Fragen, die sie beantworten und da werden sie ganz explizit nach bestimmten Symptomen gefragt und da wird dann eben geschaut, wie viele Frauen, die befragt wurden, geben an, dass sie diese Symptome haben. Nun ist das ja, wie ich schon erwähnt habe, so ein schambehaftetes Thema. Wie könnt ihr davon ausgehen, dass die Antworten der befragten Personen dann auch wirklich wahrheitsgemäß sind? Genau, das können wir nicht wissen, das überprüfen wir auch nicht, aber wir gehen einfach mal davon aus, also wir gehen sozusagen den Vertrauensvorschuss und gehen davon aus, dass die Frauen auch wahrheitsgemäß antworten, wenn sie zu uns kommen. Wenn ihr so eine Studie macht, wie geht ihr daran? Also was setzt ihr euch jetzt zum Beispiel für ein Ziel und wie setzt ihr das um? Also in unserer Studie untersuchen wir aktuell einen neuen Interviewleitfaden, den wir neu entwickelt haben und dieser Interviewleitfaden, der soll später mal von Behandlerinnen eingesetzt werden. Also das können zum Beispiel Psychotherapeutinnen sein, das können aber auch Beraterinnen oder Ärztinnen sein und die können diesen Interviewleitfaden einsetzen, um eben sexuelle Funktionsstörungen zu erkennen. Also der soll später mal durch das diagnostische Gespräch leiten. Und was wir jetzt in unserer Studie untersuchen, ist, dass wir überprüfen, ob dieser Interviewleitfaden, den wir ganz neu entwickelt haben, ob der auch gut funktioniert. Also wenn man den zur Hand nimmt, ob da dann auch am Schluss die richtigen Diagnosen bei rauskommen. Und wie wir da ganz explizit vorgehen, ist, dass wir viele, viele Frauen zu uns einladen, die unter sexuellen Problemen leiden und die interviewen mithilfe dieses Interviewleitfadens und dann eben schauen, kommt da das richtige Ergebnis raus. Also im Zweifel dann eben eine Diagnose oder eben vielleicht auch keine. Also ihr habt einen Fragenkatalog entwickelt, der darauf abzielt, ein klareres Bild davon zu bekommen, unter welchen sexuellen Problemen Frauen leiden. Und jetzt wollt ihr herausfinden, ob dieser Fragenkatalog auch funktioniert. Habe ich das so richtig verstanden? Das hast du ganz richtig verstanden, genau. So und wie geht ihr jetzt vor? Ganz konkret in der Studie ist es so, dass die Frauen einen Online-Fragebogen ausfüllen, in dem wir ganz allgemeine Dinge abfragen, wie Alter, beruflicher Status, ob die Frauen in einer Partnerschaft sind oder nicht. Und wenn sie gewisse Voraussetzungen erfüllen für die Studie, und das ist für die Studie jetzt ganz wichtig, dass die Frauen eben unter sexuellen Problemen leiden, dann laden wir sie zu uns ein, zum Lehrstuhl für Behaviorale Psychotherapie, also an die TU Dresden wirklich zu uns in die Räume und dort sind DiagnostikerInnen, die wir geschult haben in der Durchführung von diesem Interviewleitfaden und die führen dann mit den Frauen die Interviews durch. Wenn ich daran denke, da kommen bei mir auch so ganz viele Datenschutzfragen hoch, also gerade bei so sensiblen Themen, wie sichert ihr, dass diese sensiblen Daten geschützt sind? Also beispielsweise der Online-Fragebogen wird über ein System, das heißt RedCap durchgeführt und da liegen die Daten wirklich auf TU-Servern, also die werden sehr, sehr sicher bei uns gespeichert. Auch beispielsweise, wenn die Frauen zu uns kommen und wir mit denen das Interview durchführen, dann werden wir auch Notizen machen und diese Notizen machen wir auf Bögen, wo aber beispielsweise nicht der Name von den Frauen mit draufsteht. Das heißt, die sind pseudonymisiert, jede Frau bekommt dann einen Probandencode und der steht dann beispielsweise jetzt auf den Interviewbögen drauf, aber ist eben nicht direkt mit dem Namen der Frau verbunden. Wenn ich jetzt mich betroffen fühlen würde und da Interesse hätte mitzumachen, wohin wende ich mich? Also was, wie Sie zum Beispiel auf unsere Studie kommen können, ist, indem Sie mal in Google eingeben den Namen unseres Interviewbogens, der heißt nämlich D-Sex, also D-I-S-E-X. Das steht für Diagnostisches Interview sexueller Funktionsstörungen und wenn Sie den eingeben, diesen Namen D-Sex zusammen mit TU Dresden, dann kommen Sie auf unsere Projektseite und dort ist die Studie auch nochmal erklärt, dort finden Sie auch nochmal Informationen zur Studie, auch eine Datenschutzerklärung, also da steht auch ganz explizit, wie wir mit Ihren Daten umgehen und wie wir sicherstellen, dass die eben sicher sind und dort ist dann auch direkt der Link zur digitalen Vorbefragung, also da kommen Sie direkt auf die Vorbefragung und können sozusagen auch direkt starten mit der Studie. Wenn Sie Fragen haben, dann können Sie auch gerne mich direkt anmailen und finden mich beispielsweise unter der E-Mail-Adresse rebecca.schwesig at tu-dresden.de. Und wir werden auch einen Link auf unsere Webseite www.coloradio.org setzen. Wie bist du in dieses Fachgebiet geschlittert? Ja, das ist tatsächlich über Umwege passiert. Ich habe damals in meinem Studium ein Auslandssemester in Kanada gemacht und hatte dort mehrere Vorlesungen zu dem Themengebiet, also Vorlesungen zu sexuellen Funktionsstörungen. Ich habe Psychologie studiert, muss man dazu sagen, und war damals total fasziniert, weil das bei mir an der Universität in Deutschland nie ein Thema gewesen ist. Also wir haben darüber nichts gelernt im Studium und war da ein bisschen entsetzt, aber gleichzeitig eben ganz fasziniert, weil ich davon noch nie so wirklich gehört hatte. In Kanada ist es eben so, dass es sehr, sehr viel Forschung dazu gibt, auch in den Niederlanden oder den USA, und habe mich dann ein bisschen erkundigt, wo denn in Deutschland dazu geforscht wird, und habe gemerkt, dass es in sehr, sehr wenigen Städten oder Universitäten überhaupt der Fall ist. Und da mich das Thema aber so fasziniert hat, habe ich mir dann jemanden gesucht, der dazu geforscht hat, und das war der Professor Heuer in Dresden, und so kam ich zu dem Thema. Ist es wirklich so, dass Deutschland in diesem Themengebiet so weit hinterherhinkt? Ja, wahrscheinlich sicherlich noch immer daran, dass es ein großes Tabuthema ist. Und das merkt man, dass vielleicht in so ein bisschen anderen Ländern, die da fortschrittlicher sind, gerade die Niederlande, eben einfach mehr Forschung mittlerweile auch schon dazu passiert. Aber man muss dazu sagen, da passiert viel und in Deutschland mittlerweile auch mehr. Also ich habe große Hoffnungen, dass das noch ein größerer Forschungsschwerpunkt auch in Deutschland wird. Wie wirkt sich das in deinem Umfeld, in deinem Kreis deiner Freundinnen aus, auf die Gespräche bei Geburtstagsfeiern oder im Park oder so? Wirst du da so ein bisschen abgestempelt, ah, die kennt sich damit aus, und jetzt kann ich ja hier mal mein ganzes Leid ausschütten? Nein, in die Richtung tatsächlich gar nicht. Es ist eher so, wenn ich Personen neu kennenlerne, dass sie sehr fasziniert sind und dass da zum Teil wirklich auch sehr, sehr interessante Themen entstehen. Also, dass die Personen dann häufig total bereit sind, dann auch mit mir darüber zu diskutieren oder sich dann auch total interessiert zeigen an dem Thema, weil eben so im privaten, aber auch natürlich im öffentlichen Raum sehr wenig darüber geredet wird. Und es ist häufig so ein Türöffner, wenn ich sage, ja, ich promoviere im Bereich der sexuellen Funktionsstörungen. Und da ist häufig immer die erste Frage, was ist denn das überhaupt? Was fällt denn alles unter sexuelle Funktionsstörungen? Sexuelle Funktionsstörungen sind eigentlich jegliche sexuelle Probleme, die die Funktion betreffen. Also das kann zum Beispiel sein vermindertes oder reduziertes sexuelles Verlangen, vermindertes oder reduzierte sexuelle Erregung, Orgasmusschwierigkeiten oder auch Schmerzen bei der Penetration. Und bei Männern würden da noch weitere hinzukommen, zum Beispiel frühzeitige oder verspätete Ejakulation. Aber das sind so die sexuellen Probleme, die eben auftreten können in Bezug auf die sexuelle Funktion. Und ganz wichtig, damit man das als eine sexuelle Funktionsstörung auch bezeichnet, müssen noch zwei weitere Kriterien erfüllt sein. Und das ist einmal, dass dieses sexuelle Problem schon länger auftritt, also schon seit einer längeren Zeit, man spricht von ungefähr sechs Monaten, schon auftretend ist. Und die Person muss auch darunter leiden. Also ansonsten würde man auch keine sexuelle Funktionsstörung vergeben. Hat das vielleicht auch alles so ein bisschen was mit unserem sexuellen Wertesystem zu tun? Also wir müssen immer super potent sein, immer super sexy, immer erregt, immer noch einen oben drauf. Spielt das da auch so ein bisschen ein Teil? Total, das merke ich auch in den Gesprächen mit den Frauen, dass da häufig so die Erwartung ist, ich muss sexuelles Verlangen haben und das muss auch von einer besonderen Stärke sein. Und bei vielen Frauen ist das aber gar nicht unbedingt so. Und die haben dann direkt das Gefühl, dass sie falsch sind. Obwohl sie vielleicht selber gar nicht so darunter leiden, kommt dann von außen der Druck von der Gesellschaft, ich muss sexuelle Lust haben, ich muss Lust auf Sex haben, ich muss großes Verlangen haben. Oder vielleicht auch, dass der Partner das irgendwie erwartet und sich fragt, was ist denn mit ihr falsch sozusagen, wenn sie das von sich aus gar nicht so hat. Und da entsteht sehr viel Leidensdruck auch dadurch, dass die Frauen eben das Gefühl haben, sie müssten eigentlich anders sein. Ich glaube, dass es sogar beidseitig sein kann, was ist mit mir nicht richtig, was ist mit ihr nicht richtig. Also gegenseitig so Selbstzweifel in die Beziehung getragen werden aufgrund dieser Erwartungshaltung, die vielleicht ganz oft auch von außen kommt, oder? Ja, auf jeden Fall. So trifft auch beispielsweise nicht nur das sexuelle Verlangen. Das Problem haben wir auch bei den Orgasmuschwierigkeiten beispielsweise, dass da auch von beiden Seiten Druck entsteht. Dass der Partner denkt, was ist mit mir falsch, dass ich es nicht schaffe, dass meine Partnerin zum Orgasmus kommt während der partnerschaftlichen sexuellen Aktivität. Und die Frau hat das Gefühl, sie muss jetzt zum Orgasmus kommen, weil das wird ja auch von ihr erwartet. Und der Partner strengt sich vielleicht auch ganz doll an, dass das so passiert. Und dann passiert es aber nicht. Und da entsteht dann eben auch ganz häufig Frustration auf beiden Seiten, weil die Erwartungen auf beiden Seiten irgendwie nicht erfüllt werden. Damit haben wir auch geklärt, was sich hinter dem Fachbegriff sexuelle Funktionsstörungen verbirgt. An wen konkret wendet ihr euch mit eurem Anliegen gerade? An alle Frauen, die von sich aus sagen, dass sie das Gefühl haben, dass sie unter sexuellen Problemen leiden. Und das an Frauen jeglichen Alters. Also aktuell merken wir, dass sehr viele Frauen im relativ jungen Alter zu uns kommen. Also so zwischen 20 und 35. Und deswegen möchten wir auch noch mal ganz herzlich auch ältere Frauen, also Frauen über 40, über 50, über 60 einladen zu uns. Denn deren Hintergründe, Geschichten möchten wir natürlich auch gerne hören. Und die möchten wir auch gerne einbeziehen in unsere Studie. Ja, nochmal zusammengefasst, an der TU Dresden läuft die Dissex-Studie. Es geht darum, einen Fragenkatalog auszuprobieren, der Leitfaden sein kann in der therapeutischen Behandlung. Und dafür sucht Rebecca Schwesig mit ihrem Team nach wie vor ProbandInnen. Und den Link zu der Studie zum Teilnehmen findet ihr auf unserer Webseite. Das ist eine reine Online-Studie oder kann man auch vor Ort vorbeikommen und teilnehmen? Genau, also diese digitale Vorbefragung, das ist wirklich online. Das können Sie von zu Hause aus ausfüllen. Und die Interviewtermine, die machen wir aber tatsächlich vor Ort, wirklich in Person zusammen. Ja, dann wünsche ich auf jeden Fall viel Erfolg. Danke für das Gespräch. Ich sprach mit Rebecca Schwesig, sie ist Expertin für die Diagnostik von sexuellen Funktionsstörungen bei Frauen in der TU Dresden. Einem bislang spärlich in Deutschland erforschten Forschungsgebiet. Danke für deinen Besuch. Danke dir, Jens.

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