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Das ist also mein Leben 172

Das ist also mein Leben 172

CarlCarl

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Charlie is writing a letter to his friend, discussing his recent date with Mary Elizabeth. He talks about her interests, including her plans to study political science and sociology with a focus on women's studies. Charlie is unsure about continuing to date Mary Elizabeth as he doesn't feel ready for a relationship. He also mentions some drama between his sister and her boyfriend at a school dance. Later, Charlie finds his sister crying in the basement and she reveals that she is pregnant. In another letter, Charlie reflects on his time waiting in the hospital for his sister to give birth. He contemplates society's objectification of women and thinks about his relationship with his sister. He also reveals that he starts crying in the car and his sister finds him. 15. Februar 1992 Lieber Freund, es geht mir nicht besonders gut. Alles ist völlig durcheinander. Ich bin mit Mary Elizabeth zum Say Hawkins beigegangen und ich habe ihr gesagt, wie gut es mir geht und wie gut mir gefällt, was sie anhat. Ich habe auch viele Fragen gestellt und sie die ganze Zeit überreden lassen. Dabei habe ich eine Menge über Objektivierung, die amerikanischen Ureinwohner und die Bourgeoisie gelernt. Vor allem aber habe ich viel über Mary Elizabeth gelernt. Mary Elizabeth will nach Berkeley und wird zwei Abschlüsse machen. Eine Politikwissenschaft und eine Soziologie mit dem Schwerpunkt Frauenforschung. Mary has the high school und will lesbische Beziehungen erkunden. Ich fragte sie, ob sie Mädchen schön finde und sie sah mich an, als wäre ich ein Outer und sagte, darum geht es doch gar nicht. Marys Lieblingsfilm ist Reds. Ihr Lieblingsbuch ist die Autobiografie einer Frau, die in Reds einer der Hauptcharaktere war. Den Namen weiß ich jetzt nicht mehr. Ihre Lieblingsfarbe ist grün. Ihre liebste Jahreszeit ist Frühling. Ihr Lieblingsgeschmack bewähren Jerrys. Fettarmengefreuen wie gut, ist er aus Prinzip nicht, ist Jerry Garcia. Ihr Lieblingsessen ist Pizza mit Pilz und Grünpaprika. Sie ist Vegetarierin und hasst ihre Eltern. Sie spricht fiesen Spanisch. Das einzige, was sie mich fragte, das allerdings viele Male war, ob ich sie zum Abschied küssen wolle. Ich sagte, ich wäre noch nicht so weit und sie sagte, sie verstehe das. Und sie hatte trotzdem einen wunderbaren Abend gehabt. Sie sagte, ich sei der einfühlsamste Junge, den sie je kennengelernt hätte. Und so gut das klingt, ich verstand es nicht ganz. Denn um ehrlich zu sein, das einzige, was ich den ganzen Abend lang gemacht hatte, war sie nicht zu unterbrechen. Dann fragte sie mich, ob ich irgendwann wieder mit ihr ausgehen wolle. Und das hatten Sam und ich vorher nicht besprochen. Deshalb kam ich etwas ins Schlingern. Ich sagte ja, weil ich nichts falsch machen wollte. Aber ich glaube nicht, dass mir für einen weiteren Abend noch genügend Fragen einfallen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Wie viele Dates kann man haben und immer noch nicht so weit sein? Ich fürchte, dass ich bei Meryl Elizabeth nie wirklich so weit sein werde. Das ist ein Punkt, den ich mit Sam besprechen muss. Übrigens ist Sam mit Patrick aus dem Ball gegangen, nachdem Craig gesagt hatte, er sei zu beschäftigt. Offenbar hatten sie ziemlich viel Streit deswegen. Und am Ende sagte Craig, er wolle ihn nicht auf einen blöden High School Ball, weil er seine Abschlussträger hatte. Jedenfalls irgendwann im Laufe des Abends ist Patrick aus dem Parkplatz raus, um mit dem Schulpsychologen ein Join zu rauchen. Und Meryl Elizabeth ging den Dieter bitten, dass er ein paar Gölbe zu auflegen. Worauf Sam und ich uns allein gegenüberstanden. Geht es dir gut? Sie antwortete nicht gleich. Sie sah irgendwie traurig aus. Nicht so. Dir? Keine Ahnung. Das ist mein erstes Date. Also weiß ich nicht, womit ich es vergleichen soll. Mach dir keine Sorgen. Dreht das schon hin. Echt? Willst du etwas Punsch? Klar. Und damit ging sie. Sie sah wirklich traurig aus. Und ich wünschte, ich hätte etwas tun können, dass es ihr besser ging. Aber manchmal kann man das einfach nicht. Also stand ich eine Weile allein in der Wand und sah den Leuten auf der Tanzfläche zu. Ich würde es dir ja gerne beschreiben. Aber bei so etwas muss man entweder dabei gewesen sein oder zumindestens die Leute kennen. Andererseits waren auf deiner Highschool-Balle vielleicht genau dieselben Leute. Wenn du verstehst, was ich meine. Das Einzige, was wirklich anders war als sonst, war meine Schwester. Sie war mit dem Freund da. Und während eines langsamen Songs sah es so aus, setzten die Beine in üblen Streit. Dann blickten die überhaupt nicht mehr ins Gesicht und dann rauschten sie von der Tanzfläche Richtung Toiletten. Ich ging ihr nach, aber sie hatten einen zu großen Vorsprung. Und sie kam nicht mehr zurück. Und irgendwann ging auch ihr Freund. Nachdem Mary mich stets zu Hause abgesetzt hatte, fand ich meine Schwester weinend im Keller. Und diesmal war es eine andere Art Sein. Es machte mir irgendwie Angst. Alles in Ordnung? Lass mich allein, Charlie. Was ist los? Du verstehst das nicht. Ich kann es doch versuchen. Echt witzig. Das ist wirklich sehr witzig. Willst du, dass ich Mom und Dad wecke? Nein. Aber vielleicht könnten sie... Charlie, halt die Klappe. Okay, halt einfach die Klappe. Und dann fing es richtig zu weinen an. Ich wollte nicht, dass es ihr noch schlechter ging, also beschloss ich sie allein zu lassen. Dann legte meine Schwester plötzlich ihre Arme um mich. Sie sagte kein Wort. Sie drückte mich nur ganz fest und ließ mich nicht mehr los. Also legte ich auch die Arme um sie. Das war ziemlich seltsam, denn wir hatten uns noch nie umarmt. Außer man hatte meine Schwester dazu gezwungen. Nach einer Weile beruhigte sich etwas und ließ mich wieder los. Ich halte sie tief durch und tobste die Haare aus dem Gesicht. Und dann sagte sie mir, dass sie schwanger war. Viel mehr kann ich dir von dieser Nacht leider nicht erzählen. Sie ist wie hinter einem Schleier verborgen. Und ich kann mich an keine Einzelheiten mehr erinnern. Was ich noch weiß, der Freund meiner Schwester behauptete, das Kind sei nicht von ihm. Meine Schwester war sich aber ganz sicher, dass es von ihm war. Und er hatte mit ihr Schluss gemacht, eben aus dem Schulball. Bisher hat sie meiner Schwester noch niemandem davon erzählt. Und sie will nicht, dass es die Runde macht. Die Einzige, die davon wissen darf, sind sie, er und ich. Und ich darf es niemandem sagen. Niemandem. Niemals. Ich sagte meiner Schwester, dass sie es wohl irgendwann nicht mehr verbergen könne. Aber sie sagte, so weit würde es nicht kommen lassen. Da sie schon 18 sei, bräuchte sie nicht die Erlaubnis von Mom oder Dad. Alles was sie bräuchte, wäre jemand, der sie nächsten Samstag ins Krankenhaus fährt. Und dieser jemand würde ich sein. Na, ein Glück, dass ich inzwischen mein Führerschein habe. Das sagte ich, um sie zum Lachen zu bringen. Hat aber nicht funktioniert. Alles Liebe, Charlie Lieber Freund, heute saß ich etwa eine Stunde oder so im Badezimmer des Krankenhauses. Ich weiß nicht mehr, wie lange genau. Bill hat mir ein neues Buch gegeben, aber ich konnte mich nicht richtig darauf konzentrieren. Du verstehst sicher warum. Zu Beginn versuchte ich einige Zeitschriften zu lesen, die dort ausklangen. Aber das gelang mir auch nicht. Es war nicht so sehr, dass immer davon die Rede war, was die Leute alle essen. Sondern ihre Titelbilder. Auf jeden Fall ein lächelndes Gesicht. Und wenn es eine Frau war, sah man immer ihren weiten Ausschnitt. Ich fragte mich, ob diese Frau gut aussehen wollten. Oder ob das einfach zu ihrem Job gehörte. Dann fragte ich mich, ob sie überhaupt eine Wahl hatten, wenn sie erfolgreich sein wollten. Und das ging mir dann nicht mehr aus dem Kopf. Ich konnte das Fotoshooting richtig vor mir sehen. Und wie die Schauspielerin oder das Model danach mit ihrem Freund etwas Leichtes essen geht. Er fragte sie, wieso ihr Tag war. Und sie ist nicht gerade begeistert über ihren Tag. Oder vielleicht ist sie auch gerade sehr aufgeregt, weil es ihr erstes Titelbild ist. Und sie jetzt allmählich berühmt wird. Dann liegt das Magazin überall aus. Und alle möglichen Leute sehen sie auf dem Cover. Und viele denken, es würde hier um etwas sehr wichtiges gehen. Und jemand wie Mary wird sehr wütend auf die Schauspielerin oder das Model, weil sie Leuten wie alle anderen Schauspielern und Models ihren Ausschnitt zeigt. Während ein Fotograf wie Craig natürlich nur auf die Qualität des Bildes achtet. Dann dachte ich, dass sich einige Männer das Magazin kaufen, um zu dem Titelbild zu masturbieren. Und ich fragte mich, was die Schauspielerin oder ihr Freund wohl davon hielten, wenn sie überhaupt an so etwas dachten. Und dann beschloss ich, das höchste Zweifel mit dem Nachdenken aufzuhören, weil es meine Schwester nicht im geringsten half. Da begann ich über meine Schwester nachzudenken. Ich musste daran denken, wie sie und ihre Freundin einmal meine Nägel genackiert hatten. Zum Glück war mein Bruder damals nicht zu Hause gewesen. Und wie sie mir ihre Puppen lie, damit ich mit ihnen ausgedachte Theaterstücke spielen konnte oder mich im Fernsehen alles ansehen ließ, was ich wollte. Und wie sie immer mehr zur jungen Dame wurde, die niemand mehr ansehen durfte, weil sie fand, dass sie zu dick war. Dabei war sie gar nicht dick und eigentlich sogar sehr hübsch. Ich weiß noch, wie verändert ihr Gesicht war, als sie merkte, dass Jungs sie hübsch fanden. Oder als sie zum ersten Mal einen Jungen richtig mochte, der nicht als Post an ihrer Wand hing. Und was für ein Gesicht sie machte, als sie erkannte, dass sie in diesen Jungen verliebt war. Und dann fragte ich mich, wie wohl ihr Gesicht aussehen wird, wenn sie aus dieser Tür kommt. Meine Schwester war diejenige gewesen, die mir erzählt hatte, wo die Babys herkamen. Meine Schwester war auch diejenige gewesen, die gelacht hatte, als ich daraufhin fragte, wo die Babys hingehen. Als mir das wieder einfiel, musste ich weinen. Das durfte aber niemand mitkriegen, denn dann würden sie mich vielleicht nicht mehr fahren lassen. Und vielleicht riefen sie dann sogar unsere Eltern an. Und das durfte nicht geschehen, denn meine Schwester verließ sich auf mich. Und es war das erste Mal, dass sich überhaupt jemand auf mich verließ. Doch dann wurde mir bewusst, dass ich zum ersten Mal weinte, seit ich Tante Helen versprochen hatte, es nicht mehr zu tun, außer wegen etwas sehr Wichtigem. Und da musste ich rausgehen, denn ich konnte es nicht mehr länger verbergen. Ich musste ziemlich lange im Auto gesessen haben, denn im Grunde fand mich meine Schwester dort. Ich rauchte und weinte immer noch. Meine Schwester klopfte an die Scheibe. Ich gieß die Scheibe herunter. Meine Schwester blickte mich neugierig an. Dann blickte sie mich wütend an. »Charlie, du rauchst?« Sie war so wütend, dass sie es kaum beschreiben kann. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du rauchst.« Dann hörte ich auf zu weinen und begann zu lachen. Während von allem, was sie hätte sagen können, nachdem sie wieder aus der Klinik raus war, drückte sie sich ausgerechnet meine Raucherei aus. Und sie war sehr wütend deswegen. Und ich wusste, wenn meine Schwester wütend war, würde auch mit ihrem Gesicht nichts anders sein. Alles würde ihr schon wieder gut gehen. »Dir ist doch klar, dass ich das momentan erzählen werde, oder?« »Nein, wüsstest du nicht.« Ich konnte überhaupt nicht mehr aufhören zu lachen. Dann dachte meine Schwester einen Moment darüber nach und begriff, dass sie momentan nichts erzählen würde. Es war, als würde sie ihr auf einmal wieder einpuffen warnen, was gerade passiert war und wie verrückt unsere ganze Unterhaltung angesichts dessen doch war. Und dann musste sie auch lachen. Und dann wurde sie übel verlachen. Also stieg ich aus und halte auf die Rückbank. Ich hatte schon Kissen und Decken für sie ergerichtet, denn wir hatten uns vorher überlegt, dass es vermutlich am besten war, wenn sie sich erst ein wenig ausruht, bevor wir wieder heimfuhren. Kurz bevor sie einschlief, sagte sie, »Wenn du schon rauchen musst, könntest du wenigstens das Fenster in Spaltbad aufmachen.« Worauf ich wieder lachen musste. »Schade, du rauchst.« »Ich fasse es nicht.« Worauf ich noch mehr lachen musste. Dann sagte ich, »Ich hab dich lieb.« Und meine Schwester sagte, »Ich hab dich auch lieb.« »Und nun bitte endlich aufzulachen.« Nach einer Weile wurde mein Lachen zum gelegentlichen Kichern, und dann hörte es ganz auf. Ich sah nach hinten. Meine Schwester war eingeschlafen. Als wir durch den Mond fuhren, drehte sie die Heizung hoch, damit sie es warm hatte. Dann las ich in dem Buch, das mir Bild gegeben hatte, »Walden« von Henry David Thoreau. Thoreau, Thoreau, Thoreau. Es war das Lieblingsbuch der Freunde meines Bruders. Von daher war ich schon sehr gespannt darauf. Als die Sonne unterging, legte ich Bild's Rauchabbruch für Johannes Buch und fuhr langsam nach Hause. Einige Straßen von unserem Haus entfernt hielt ich an, um meine Schwester zu wecken und Kissen und Deckel im Kofferraum zu verstauen. Dann bogen wir die Einfahrt und stiegen aus und gingen rein. Und seit Marmot, der von oben rufen, warf die beiden den ganzen Tag gesteckt. »Jawohl, das Essen ist fast fertig.« Meine Schwester blickte mich an. Ich blickte sie an. Dann zog sie mit den Schultern, also begann ich, wie ein Wasserpfeil zu reden. Dass wir im Kino waren und dass mir meine Schwester das Fahren auf dem Highwayway gebracht hatte und dass wir bei McDonald's waren und dass... Bei McDonald's? Wann? Eure Mutter hat nämlich Wirbchen gemacht. Mein Vater las gerade Zeitung und während ich weiterging, redete meine Schwester zu ihm und gab ihr im Kurshaus die Wange. Er sah nicht auf. »Keine Sorge, wir sind schon vor dem Kino zu McDonald's. Das ist schon eine Weile her.« »Was habt ihr euch angesehen?« Das fiel mir nicht mehr ein. Ich stand mit offenem Mund da und meine Schwester ließ gerade noch rechtzeitig den Titel eines Films fallen und dann küssten sie auch meine Mutter auf die Wange. Ich hätte noch nie von dem Film gehört. »War er gut?« »Er war ganz okay«, sagte meine Schwester ruhig. »Hey, die Wirbchen riechen toll.« »Genau«, sagte ich. Und da fiel mir etwas ein, um das Thema zu wechseln. »Hey Dad, ist heute Abend nicht dein Hockeyspiel?« »Ja, aber du darfst es nur mit ansehen, wenn du mir nicht wieder Löcher in den Bauch fragst.« »Okay, aber kann ich dich jetzt was fragen, vor dem Spiel?« »Weiß ich nicht. Kannst du es denn?« »Darf ich?«, verbesserte ich mich. »Nur zu.« »Wie nenne ich den Hockeypub nochmal?« »Keks«, sie sagten. »Keks dazu«. »Klasse, danke.« Von da an stellten meine Eltern keine Fragen mehr, was den heutigen Tag angeht. Mom sagt nur, wie schön sie es fand, dass meine Schwester und ich mehr Zeit miteinander verbrachten. Später dann, nachdem Mom und Dad schlafen gegangen waren, ging ich runter zum Auto und holte das Kissen und die Decke aus dem Kofferraum und brachte beides meiner Schwester aufs Zimmer. Sie war ganz schön müde, und sie sprach ganz leise. Sie dankte mir für alles, was ich heute für sie getan hatte. Sie sagte, ich hätte sie nicht im Stich gelassen. Und sie sagte, es solle unser kleines Geheimnis bleiben, weil sie nämlich beschlossen hatte, ihrem Ex-Freund zu sagen, dass sie schon angesagt, falscher Alarm war. Ich glaube, ich vertraue ihm einfach nicht mehr. Und dann, als ich das Licht in ihrem Zimmer löschte und die Tür öffnete, flüsterten sie, »Ich will, dass du mit dem Rauchen aufhörst, okay?« »Okay.« »Ich habe dich nämlich wirklich lieb, Charlie.« »Ich habe dich auch lieb.« »Ich meine es ernst.« »Ich auch.« »Okay, dann gute Nacht.« »Gute Nacht.« Dann schloss sie die Tür. Mir war nicht nach Lesen, also ging ich runter und sah mir in halbstem Wegen Werbespot und Fernsehen an, der ein Fitnessgerät antrieß. Sie blenden immer wieder eine kostenlose Telefonnummer ein, und schließlich ging ich zum Telefon und wählte die Nummer. Die Frau um anderem in der Leitung hieß Michelle, und ich sagte Michelle, dass ich mich auch mit ihr nicht verändere, weil ich kein Fitnessgerät brauchte, aber ich hoffte, dass sie einen schönen Abend hätte. Dann legte Michelle auf, und es machte mir überhaupt nichts aus. Alles Liebe, Charlie. 7. März 1992 Lieber Freund, Mädchen sind seltsam. Ich meine das nicht abwertend. Ich kann es nur nicht anders beschreiben. Ich hatte jetzt mein zweites Date mit Mary. Es lief so ziemlich ähnlich wie das erste, nur dass wir bequemere Sachen anhatten. Es war wieder Mary, die mich gefragt hat, und das ist wohl okay, aber irgendwann werde ich das wohl übernehmen müssen, denn ich kann mich ja nicht immer darauf verlassen, dass man mich fragt. Außerdem habe ich, wenn ich frage, die Garantie mit dem Mädchen meiner Wahl auszugehen, das heißt, wenn sie Ja sagt. Es ist wirklich kompliziert. Immerhin saß ich diesmal am Steuer. Tags zuvor beim Abendessen hatte ich meinen Vater gefragt, ob ich sein Auto haben könnte. Für was denn? Dad entwickelte einen ziemlichen Befürchtungsinstinkt, wenn es um sein Auto ging. Charlie ist eine Freundin, sagte meine Schwester. Sie ist nicht meine Freundin, sagte ich. Er ist das Mädchen, sagte Dad. Was ist los? fragte Mom aus der Küche. Charlie will sich den Wagen leihen, sagte Dad. Für was denn? fragte Mom. Das versuche ich ja gerade herauszufinden, rief Dad. Kein Grund, sich schlecht aufzuregen, sagte Mom. Tut mir leid, sagte Dad, obwohl er sich nichts leid tat. Dann wandte er sich wieder mir zu. Also, erzähl mir von dem Mädchen. Ich erzählte ihm von Mary Elizabeth und ließ dabei das Tattoo und das Bauchnabelkissen weg. Er grünste eine Weile lang, um herauszukriegen, ob ich schon etwas angestellt hatte. Dann sagte er, ja, ich könnte ja schon das Auto haben. Und als Mom nach dem Kaffee kam, erzählte Dad ihr die ganze Geschichte und ich aß schweigend meinen Nachtisch. Später, als ich mein Buch zu Ende las, kam Dad in mein Zimmer und setzte sich zu mir aufs Bett. Er zündete sich eine Zigarette an und begann über Sex zu reden. Er hatte mir das alles zwar bereits vor einigen Jahren erklärt, aber damals war es mehr um den biologischen Aspekt gegangen. Jetzt sagt er Sachen wie, ich weiß, ich bin nur dein Vater, aber... Man kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein. Sie tut, dass du geschützt bist. Wenn sie Nein sagt, dann meint sie das auch. Wenn du sie zu etwas zwingst, was sie nicht will, dann steckst du in großen Schwierigkeiten, Champ. Und wenn sie Nein sagt und eigentlich Ja meint, dann spielt sie bloß mit dir und ist das Abendessen nicht wert. Und wenn du mit jemandem reden willst, kannst du immer zu mir kommen. Aber wenn du es aus irgendeinem Grund nicht möchtest, dann geh zu deinem Bruder. Und da sagte er, ich bin froh, dass wir darüber geredet haben. Er fuhr mir durchs Haar und lächelte und ging. Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass mein Vater nicht wie die Dingväter im Fernsehen sind. Dinge wie Sex sind ihm nicht peinlich. Und er macht das ganz gut, finde ich. Ich glaube, er war an diesem Abend auch ganz froh, weil ich, als ich kleiner war, öfter diesen Jungen aus der Nachbarschaft geküsst hatte. Und obwohl mein Psychiater damals gesagt hätte, es sei ganz normal für kleine Jungs und Mädchen so etwas zu tun, hatte er sich trotzdem Sorgen gemacht. Ich hätte es auch normal, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wieso. Jedenfalls sind Mary und Elisabeth und ich zusammen ins Kino gegangen. Es war wohl, dass man einen Kunstfilm nennt. Mary sagte, er hätte bei irgendeinem großen europäischen Festival einen Preis gewonnen. Das wäre ziemlich beeindruckend. Und während wir darauf warteten, dass der Film anfing, sagte sie, es sei eine Schande, wie viele Leute sich diese blöden Hollywood-Streifen ansahen und hier siehst du nur eine Handvoll Leute. Dann sagte sie, dass sie es gar nicht erwarten können, aus der Stadt heraus zu kommen und aufs College zu gehen, wo die Leute solche Filme zu schätzen wussten. Dann fing der Film an. Er war in einer Fremdsprache und hatte Untertitel, was lustig war, weil ich vorher noch nie einen Film gelesen hatte. Der Film an sich war auch ganz interessant, aber ich fand ihn nicht richtig gut, denn ich fühlte mich hinterher nicht viel anders. Mary Elisabeth aber fühlte sich anders. Sie sagte immer wieder, wie ehrlich der Film doch gewesen sei. Und ich nehme an, das war er wirklich. Das Problem war nur, ich hatte keine Ahnung, was der Film sagen wollte, auch wenn er es besonders ehrlich gesagt hatte. Danach wurden wir zu diesem Underground Plattenladen und Mary Elisabeth gab meine Führung, denn sie liebte diesen Namen. Sie sagte, es sei der einzige Ort, an dem sie sich wie sie selbst fühle. Sie sagte, bevor die Kaffeeshops in Mode gekommen seien, konnten Mädchen wie sie sonst nirgendwo hingehen, außer ins Big Boy. Und das sei bis letztes Jahr auch noch nicht in gewesen. Sie zeigte mir die Ecke mit dem Film, redete über all diese Kultregisseure, Regisseure, Regisseure aus Frankreich, Regisseur. Danach führte sie mich in die Kerze der Importen und redete über echte alternative Musik. Und dann buxierte sie mich in die Folgeabteilung, redete über Girlbands wie die Slips. Sie sagte, es hätte ihr wirklich leid, dass sie mir nichts zu Weihnachten geschenkt hatte und sie wolle es wieder gut machen. Also kaufte sie mir eine Platte von Billie Holiday und fragte mich dann, ob ich mit zu ihr gehen wollte, um sie gemeinsam anzuhören. Kurz darauf saß ich in ihrem Keller. Um sie oben etwas zu trinken holte, sah ich mich um. Der Raum war sehr sauber und roch, als ob hier niemand wohnen würde. Es gab ein Kamin und ein Sims mit Golfbokalen, ein Fernseher und eine Stereoanlage. Mary Elizabeth kam mir mit zwei Gläsern einer Flasche Brandy und sagte, sie hasse alles, was ihre Eltern mochten, außer Brandy. Ich goss Brandy in die Gläser, während Mary das Feuer am Kamin anmachte. Man konnte sehen, dass sie ziemlich aufgeregt war und das war seltsam, denn sie war eigentlich nie aufgeregt. Sie redete davon, wie sehr sie Feuer mochte und dass sie mal heiraten und in Wabon leben wollte, was auch seltsam war, denn sie redete sonst nie von solchen Sachen. Als das Feuer brannte, legte sie die Platte auf und dann tanzte sie ein wenig auf mich zu und setzte sich neben mich. Sie sagte, ihr sei ganz warm, aber nicht, weil es im Keller warm sei. Die Musik erklang und Mary sagte, cheers und nippte an ihrem Brandy. Ich mag Brandy, aber auf der Secret Santa Party schmeckte er mir besser. Trotzdem trank mir das erste Glas ziemlich schnell. Dann hörte ich, wie mein Herz bruchte und wurde ziemlich nervös. Mary reichte mir ein zweites Glas Brandy und strich dabei sanft über meine Hand. Dann legte sie ihr Bein über meines und ich sah, wie es vor sich hin baumelte. Dann spürte ich ihre Hand an meinem Nacken. Die Hand bewegte sich ganz langsam und mein Herz druckte wie verrückt. Gefällt dir die Platte? fragte sie leise. Ja, sehr, das stimmt. Die Musik war wirklich schön. Charlie? Ja. Magst du mich? Klar doch. Weißt du, was ich meine? Klar doch. Bist du nervös? Klar doch. Das musst du nicht sein. Okay. Dann spürte ich ihre andere Hand. Erst war sie an meinem Knie, dann arbeitete sie sich an meinem Bein bis zu meiner Hüfte und zu meinem Bauch hoch. Dann nahm Mary Elizabeth ihr Bein weg, setzte sich auf meinen Schoß und sah mich an. Sie sah mir direkt in die Augen und auch nur ein einziges Mal zum Blinzen. Ihr Gesicht wirkte warm und ganz anders als sonst. Dann bürgte sie sich vor und küßte mein Hals in meine Ohren, dann meine Wangen, dann meine Lippen und alles Schmolz dahin. Dann nahm Mary Elizabeth meine Hand und schob sie unter ihren Pullover. Es war kaum zu glauben, was da geschah. Wie sich Brüste anfühlten, wie sie aussahen oder wie schwierig es war, ein BH zu öffnen. Seitdem wir alles gemacht hatten, was man mit der oberen Hälfte des Körpers machen konnte, lag ich auf dem Boden und Mary Elizabeth legte mir den Kopf auf die Brust. Wir hasselten beide ganz langsam und ich hörte der Musik und der Brasseln des Feuers zu. Dann, als der letzte Song vorbei war, spürte ich ihren Atem auf meiner Haut. Charlie? Ja. Findest du mich hübsch? Sehr sogar. Herrlich? Herrlich. Und dann hielt sie mich noch ein wenig fester und die nächste halbe Stunde sagte sie gar nichts. Und ich lag einfach da und dachte darüber nach, wie anders ihre Stimme doch war, als sie mich fragte, ob ich sie hübsch fand. Und wie anders sie war, als ich ja sagte, obwohl Sam gesagt hatte, dass Mary Elizabeth so etwas überhaupt nicht mochte. Und wie sehr mir der Arm schmerzte, auf dem sie lag. Zu Glück hörten wir das elektrische Garagentor gerade noch rechtzeitig. Alles Liebe, Charlie

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