The speaker discusses the concept of community and the importance of collective thinking and collaboration in addressing global challenges. They highlight the influence of social networks on our behavior and well-being, citing studies that show how happiness and health can be contagious within a network. The speaker also mentions the different roles individuals play in networks, such as connectors and bridge builders. They emphasize the need for smart networking to bring about positive change, both personally and societally. The talk concludes with a discussion on the impact of social networks on decision-making and the importance of social support for overall well-being.
Ich folge dem Beispiel meiner Vorrednerin und stelle das Buch mal hierher, dann sehen Sie es gleich. Ja, schönen guten Abend, vielen Dank fürs Kommen, auch schönen guten Abend an die Leute vor den Bildschirmen. Ich möchte gleich zur Auflösung dieser drei Fragen kommen. Weil jetzt ist die Frage, sind Sie die Ausnahme, sind Sie besonders gemeinsinnig? Und die Antwort ist Nein. Sie können diese Fragen egal wo stellen, das Ergebnis ist immer dasselbe. Die Mehrheit sagt, die anderen sind alle egoistisch, aber ich bin gemeinsinnig.
Das kriegen Sie in jedem Zusammenhang auch deutschlandweit und das zeigt, dass wir eine extrem verzerrte Einschätzung haben. Weil wir nämlich das Gefühl haben, wir sind die einzigen oder ganz wenige, die gemeinsinnig denken und die anderen sind alle egoistisch. Das denken aber alle. Und das Verrückte ist, weil das alle voneinander denken, verhandeln wir auch dementsprechend. Wenn Sie das Gefühl haben, Sie sind von lauter Egoisten umgeben, dann ist es völlig logisch zu sagen, Moment, da muss ich aber auch mal nach meinem eigenen Vorteil gucken.
Wenn Sie allerdings das Gefühl haben, alle anderen um Sie herum denken total gemeinsinnig, dann denken Sie selbst automatisch auch gemeinsinniger. Das heißt, das Ergebnis von solchen Umfragen, je nachdem wie man es transportiert, beeinflusst schon wieder unser Handel. Und damit sind wir eigentlich schon mitten im Thema. Ich möchte aber vorher noch eine kleine Einleitung zum Thema Gemeinsinn geben. Ich habe von Herrn Berisch oder auch von den anderen gehört, das große Thema Nachhaltigkeit, der Umgang mit Krisen, Klimawandel, Umweltschutz usw.
Und wenn man das alles hört, dann muss man sagen, wir stehen vor riesigen Herausforderungen, wie immer in der Geschichte der Menschheit. Das war immer so. Die Vorausforderungen haben sich verändert, auch die Mittel haben sich verändert. Es gibt die berühmte Geschichte von der Anthropologin Margaret Mead, die eines Tages gefragt wurde, was ist der Beginn der Zivilisation, an was macht man das fest? Was sind so die frühesten Funde, an denen man den Beginn der Zivilisation festmachen kann? Sind das große Bauwerke oder vielleicht Werkzeuge, die Erfindung des Rades? Was markiert den Beginn der Zivilisation? Und Margaret Mead sagte, der früheste Fund eines gebrochenen und wieder zusammengewachsenen Oberschenkels.
Warum? Weil, wenn Sie mal einen Beinbruch hatten, dann wissen Sie, das dauert vier bis sechs Wochen. In der Zeit können Sie nicht laufen. Wenn Sie also in so einer Jäger- und Sammlergemeinschaft leben und nicht laufen können, dann sind Sie des Todes. Es sei denn, die anderen kümmern sich um Sie, nehmen Sie mit, bringen Ihnen was zu essen und so weiter. Tiere machen das nicht. Wenn ein Tier verletzt ist, hat es Pech gehabt, dann wird es vom Wolf oder vom Bär oder von wem auch immer gefressen.
Und irgendwann haben die Menschen angefangen, Verletzte zu versorgen. Und das ist für Margaret Mead der Beginn der Zivilisation, weil wir da angefangen haben, sozial zusammenzuarbeiten. Und Sie wissen das natürlich, sonst wären Sie jetzt heute nicht hier. Sie haben auch alle dieses Gefühl des Zusammenhaltens, der Zusammenarbeit. Sie wissen, um etwas Großes zu erreichen, müssen wir zusammenhalten. Wir bekommen zwar in allen möglichen Filmen und Zeitungen immer wieder so diese Heldengeschichte erzählt, so der einsame Held, der alleine die Welt rettet, was natürlich totaler Quatsch ist.
Er kann alleine die Welt retten. Aber die andere Geschichte zu erzählen, dass es immer Gruppen oder größere Gemeinschaften sind, die ist meistens etwas komplizierter. Es ist viel einfacher, einen Helden oder eine Heldin zu haben und an der alles aufzuhängen. Aber das ist natürlich großer Quatsch. Und Sie wissen das in Ihrem lokalen Umfeld, wir sind ja alle vielfach vernetzt. Wir sind nicht nur im Internet, sondern wir sind auch in realen Netzwerken mit Menschen zusammen. In Familien, Freundeskreisen, hier in Dresden gibt es regionale Kreise.
Und wir sind aber auch planetar vernetzt. Wir sind in einer planetarischen Gemeinschaft und stehen gerade vor großen planetarischen Herausforderungen, die wir sozusagen als Menschheit nur gemeinsam lösen können. Und die große Frage ist, schaffen wir oder schafft die Menschheit diesen Schritt, dieses gemeinsam planetar zu denken, was bisher noch nie notwendig war in der Geschichte der Menschheit. Wir haben gelernt, kleinere Gruppen zu größeren Verbänden zusammenzuschalten, kleinere Länder zu größeren. Wir haben sowas wie Europa geschafft. Aber jetzt muss der nächste Schritt kommen, dass wir sozusagen planetar zusammen, global zusammenarbeiten.
Und das ist natürlich wirklich etwas ganz Neues in der Geschichte der Menschheit. Und die Frage ist, ob es gelingen kann oder nicht. Und ich möchte heute Abend so ein paar Überlegungen dazu mit Ihnen teilen. Was heißt das eigentlich, in Netzwerken zu leben? Welche Gesetze gelten da? Welche Vorteile hat das, aber auch welche möglichen Gefahren? Wie kann man das positiv nutzen? Da möchte ich ein paar sehr interessante Erkenntnisse aus der Wissenschaft mit euch teilen. Und vor allem möchte ich gerne auch am Ende mit euch diskutieren.
Ja, also ich werde jetzt nicht so lange reden, weil diese Diskussion ist eigentlich das, was auch für mich meistens das Interessanteste ist. Also wenn ihr unterwegs Fragen oder Anmerkungen oder so habt, merkt sie euch und lasst uns am Ende gemeinsam diskutieren. Und ich möchte meinen Vortrag anhand von drei großen Blöcken oder drei großen Leitfragen strukturieren. Im ersten Block will ich so ein paar Erkenntnisse der Netzwerkforschung transportieren. Also es gibt so eine Forschung, die sich speziell damit beschäftigt, wie arbeiten Leute in Netzwerken zusammen? Welche Gesetze gelten da? Man könnte das auch unter die große Überschrift stellen, was macht unser Glück aus? Im zweiten Teil will ich über die Nebenwirkungen und Gefahren sprechen.
Weil es ist ja nicht so, dass Gemeinschaft immer gut ist und Alleinsein immer schlecht. Das ist ja ein pauschales Urteil, das so nicht stimmt. Die Gemeinschaft hat auch Gefahren und die muss man kennen, damit man positiv damit umgehen kann. Ja, das ist so bei einem Medikament, um das richtig einzusetzen, wenn sie auch die Nebenwirkungen kennen. Und im dritten Teil möchte ich dann darüber sprechen, wie man Vernetzung klug nutzen kann für Veränderungen, sowohl im persönlichen wie auch im gesellschaftlichen.
Ich glaube, das ist das, was uns alle hier umtreibt und beschäftigt. Und ganz zum Schluss sozusagen als kleines Bonusstückchen möchte ich noch darüber sprechen, wie es im Himmel und in der Hölle aussieht und was der Unterschied ist. Eine sehr lustige Geschichte zum Abschluss. Fangen wir gleich an mit der Netzwerkforschung. Ich weiß nicht, wer von euch hat Kinder? Okay, nicht alle, aber einige. Jetzt ist die Frage, habt ihr das selbst entschieden? Ja. Die Statistik sagt, nein. Die Statistik sagt, die Entscheidung zum Kinderkriegen hängt davon ab, wie in eurem Umfeld die Verteilung von neugeborenen Kindern ist.
Wenn eure Freunde und Bekannte und Kollegen, wenn es dort viele Kinder gibt, dann steigt statistisch die Wahrscheinlichkeit, für euch auch Kinder zu kriegen. Dasselbe gilt übrigens für Hochzeiten. Hochzeiten sind regelrecht ansteckend. Also es ist statistisch nachgewiesen, dass vor allem wenn nahe Bekannte, also am schlimmsten ist, sind eigene Geschwister, Bruder, Schwester, wenn die heiraten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ihr selbst auch bald heiratet, stark an. Bei Freunden ist der Effekt auch noch zu beobachten. Je weiter weg die Menschen von euch sind, umso geringer wird der Effekt.
Aber das ist statistisch nachweisbar, dass die Teilnahme an Hochzeiten von engen Freunden die Wahrscheinlichkeit erhöht, selbst auch bald vor dem Traualtar zu stehen. Also wenn ihr auf eine Hochzeit eingeladen werdet, in nächster Zeit, denkt dran, vielleicht fahrt ihr lieber nicht hin, wenn ihr alleine bleiben wollt. Oder gerade doch. Und diese Untersuchungen, das sind natürlich statistische Untersuchungen mit Hunderttausenden von Menschen. Also das ist jetzt nicht so, dass sozusagen direkte Wirkung von eins zu eins, man fährt zu einer Hochzeit und am nächsten Tag bekommt man einen Heiratsantrag.
So funktioniert das natürlich nicht. Das sind Statistische Effekte über sehr viele Menschen. Und das zeigt, in großen Gruppen gibt es sowas wie eine soziale Ansteckung. Weil wir von dem Umfeld, in dem wir uns bewegen, automatisch beeinflusst werden. Und das funktioniert auf ganz vielen Ebenen. Also das beginnt schon beim einfachen Verhalten, in welches, wenn ihr abends in ein Restaurant geht, in einer fremden Stadt, ihr kennt euch nicht aus, ihr geht durch die Straßen, in welches Restaurant geht ihr? Ihr geht da rein, wo schon viele andere sitzen.
Ihr geht nicht in das Restaurant, wo kein Mensch drin sitzt. Weil ihr automatisch annimmt, da wo viele sitzen, da muss es gut sein. Klar. Das ist einer dieser Effekte. Weil wir annehmen, okay, wir wissen nicht alles, die anderen wissen mehr. Und deswegen ist es eine kluge Strategie, das zu machen, was die anderen machen. Das funktioniert aber auch auf so einer emotionalen Ebene. Also wenn viele Leute, bei der Mode kann man das immer gut sehen, irgendwas kommt in Mode, am Anfang denkt man, mein Gott, diese Hosen oder die Schuhe, sieht ja fürchterlich aus, ein halbes Jahr später denkt man, oh, geile Schuhe, finde ich total gut.
Plötzlich findet man das gut. Niemand geht in den Laden und sagt, ich möchte die Hose, weil alle anderen auch solche Hosen haben. Sondern man geht da rein und sagt, ich finde diese Hosen total cool. Zwei Jahre später findet man die unmöglich, weil da ist was anderes in Mode. Das sind diese Effekte der unbewussten Beeinflussung und Ansteckung und die wirken permanent. Und am besten wirken sie, wenn man sich dessen gar nicht bewusst ist. Wenn man denkt, ich bin ganz individuell, ich entscheide einfach nach meinem eigenen Urteil, dann wirken diese Effekte am allerbesten.
Weil dann denkt man, ich habe ganz alleine entschieden, diese Hose zu kaufen oder ich habe ganz alleine entschieden zu heiraten. Das ist mein eigener Entschluss und man merkt gar nicht, wie sehr das Kollektiv damit bestimmt. Es gibt eine ganze Menge Forschung dazu. Eins der größten Projekte ist in einer kleinen amerikanischen Stadt in der Nähe von Boston. Läuft seit über 80 Jahren in Framingham. Das ist die berühmte Framingham-Studie und die wurde vor 80 Jahren begonnen, weil man wissen wollte, was sind die Gründe für Herzinfarkte.
Welche Faktoren begünstigen Herzinfarkte und welche Faktoren schützen. Und man hat ein ganzes Stadtteil zum Mitmachen aufgefordert und die Leute haben zugestimmt, dass sie Auskunft geben über ihre Gesundheit, über ihr Verhalten, über ihre Arbeit, über ganz viele soziale Faktoren. Also haben die Leute gesagt, okay, für die Wissenschaft, wir geben Auskunft über unsere Daten. Und die Wissenschaftler haben diese ganzen Daten gesammelt und abgeglichen mit der Zahl der Herzinfarkte. Da konnte man gucken, aha, liegt das vielleicht an zu viel Arbeiten oder hat das mit der Ernährung zu tun.
Und dann irgendwann kam die zweite Generation, dann haben die Kinder mitgemacht und mittlerweile ist man in der dritten und vierten Generation. Man kann also solche Einflüsse über einen sehr langen Zeitraum verfolgen und sieht Muster. Man sieht Muster, die man dann korrelieren kann mit dem Risiko, Herzinfarkte zu bekommen. Und irgendwann haben die Forscher gesagt, Moment, wir haben hier einen riesigen Datenschatz. Wir könnten ja auch mal nach anderen Faktoren gucken. Wir könnten zum Beispiel gucken, wie zufrieden sind die Leute.
Und gibt es da Korrelationen mit Geld oder Arbeit oder Gesundheit oder was auch immer. Und man hat festgestellt, dass die Zufriedenheit ebenfalls ansteckend ist. Dass sie nämlich, wenn sie einen guten Freund oder eine gute Freundin haben, die sehr zufrieden ist, dann erhöht das ihre eigene Zufriedenheit um 25%. Wenn der Freund oder die Freundin wiederum einen zufriedenen Freund oder eine Freundin hat, erhöht das ihre eigene auch nochmal um 12%. Also es geht immer weiter runter, aber man kann das statistisch nachweisen bis ins Dritte, bis über drei Stufen hinweg.
Das heißt, über drei Stufen hinweg beeinflussen sie Leute, die sie vielleicht noch nicht mal kennen oder gesehen haben. Dasselbe gilt übrigens für Rauchen oder Übergewicht, für viele Gesundheitsfaktoren. Also wenn in ihrem Umkreis viele Leute Raucher sind, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass sie selbst auch rauchen. Wenn da viele Nichtraucher sind, erhöht das ihre Wahrscheinlichkeit nicht zu rauchen. Und das ist statistisch, kann man das messen. Und die Forscher, die haben am Ende sozusagen als Fazit ihrer Arbeit, sind sie zu dem Schluss gekommen, dass sie sagen, Glück und Gesundheit sind keine individuellen, sondern kollektive Phänomene.
Ihre Gesundheit hängt von der Gesundheit der Menschen in ihrem Umfeld ab. Und wenn sie umziehen, auch das ist mittlerweile nachgewiesen, wenn sie umziehen in ein anderes Viertel, wo ein anderes Gesundheitsniveau oder eine andere Stimmung herrscht, dann schlägt sich das automatisch nach und nach auf ihre Stimmung nieder. Also die einfachste Möglichkeit zu sagen, was gut ist für seine Gesundheit zu tun oder für seine Stimmung, ist sich Leute zu suchen, die eine positive Stimmung verbreiten. Das ist ein ganz einfacher Trick, da müssen sie selbst gar nicht groß tätig werden, sie müssen gar keine großen Programme machen, sondern suchen sie sich Leute, die das transportieren, was sie gerne haben und das färbt auf sie ab.
Das steht natürlich in extremem Gegensatz zu dem, was sie in 10.000 Ratgeber- und Selbsthilfebücher lesen können, weil dort wird ja immer so getan, als ob sie ihr Glück, ihre Gesundheit oder was auch immer ganz alleine bewerkstelligen können. Sie müssen A, B, C machen, die Strategie und jene Strategie und dann können sie ihr Glück oder ihre Gesundheit oder was auch immer ganz alleine erreichen. Was natürlich Quatsch ist, weil wenn man das Umfeld ausblendet, dann blendet man einen riesigen Faktor aus.
Es gibt mittlerweile auch eine ganze Reihe von medizinischen Studien, die auch zeigen, dass die Eingebundenheit von Menschen in ihr Umfeld ein richtig großer Gesundheitsfaktor ist. Es gibt zum Beispiel eine Studie, da wurden Männer untersucht, die in einem Jahr drei Schicksalsschläge zu bewältigen hatten, also so richtig große Dinge wie Arbeitsplatzverlust oder Tod eines geliebten Menschen oder Umzug, also so richtig tiefe Einschnitte, drei Stück im Jahr und man hat festgestellt, die Männer, die alleine lebten und die keine soziale Unterstützung hatten, bei denen verdreifachte sich die Todesrate und bei den Männern, die eine gute Einbettung, die soziale Unterstützung von Freunden und Verwandten hatten, bei denen veränderte sich die Todesrate nicht.
Das heißt, Einsamkeit allein sein kann richtig tödlich sein. Es gibt auch Studien, die zeigen, dass das Risiko steigt, Herzinfarkt, Demenz, Kreislaufkrankheiten und so weiter zu bekommen. Also eigentlich müsste man sagen, Zuwendung und Verbundenheit ist ein extrem wirksames Medikament. Und viele Hausärzte wissen das auch. Wenn zum Beispiel einsame Menschen, häufig Ältere, die keine Angehörigen mehr haben, die sind oft sehr einsam und wenn die ins Sprechzimmer kommen, dann ist dieser Kontakt mit dem Arzt, das Gespräch mit dem Arzt, ist absolut zentral wichtig für die, weil das vielleicht einer der ganz wenigen Sozialkontakte ist, die die haben.
Und eigentlich müsste es das auf Rezept geben. Das Problem ist, an sowas verdient keine Pharmafirma. Deswegen wird das auch nie verschrieben, soziale Zuwendung. Aber eigentlich weiß jeder Arzt, Zuwendung ist ein totales Heilmittel. Ja, das ist also das eine, dass Eingebundenheit wirklich heilsam ist. Und das andere, was ich sozusagen rüberbringen möchte, ist etwas zur Struktur solcher Netzwerke. Denn es gibt ganz verschiedene Netzwerke und es gibt vor allem verschiedene Positionen in Netzwerken. Und es ist gut, das zu wissen, weil dann kann man klüger damit umgehen.
Es gibt zum Beispiel Knotenpunkte in Netzwerken. Das sind Leute, die mit ganz vielen anderen in dem Netzwerk in Verbindung stehen. Also wir haben zum Beispiel bei uns in der Nachbarschaft, da gibt es eine ältere Dame. Wir nennen die immer das Eimsbüttler Wochenblatt. Wenn man möchte, dass die anderen etwas erfahren, muss man es nur der erzählen. Und man kann sicher sein, ein paar Tage später wissen es alle anderen. Das ist so ein Knotenpunkt. Auch in vielen Unternehmen gibt es solche Leute, die so Knotenpunkte sind.
Und das sind meistens nicht die Chefs. Das sind nicht die Vorgesetzten, weil die Vorgesetzten, die haben ja ihre eigene Agenda. Denen erzählt man nicht alles. Da geht man nicht hin und erzählt und plaudert mit denen. Sondern das sind eher vielleicht die Damen im Vorzimmer, die Sekretärinnen. So Leute, die eigentlich scheinbar so ganz unwichtig oder unsichtbar sind, die aber mit ganz vielen in Verbindung stehen. Zu denen jeder kommt, zu denen jeder Vertrauen hat, denen jeder erzählt, was ihn so bedrückt.
Und die wissen oft total gut über die Stimmung im Unternehmen Bescheid. Und wenn der Chef klug ist, wenn es ein kluger Chef ist, dann fragt er vor einer wichtigen Entscheidung seine Sekretärin und sagt, wie ist denn so die Stimmung? Und dann sagt die, das finde ich jetzt so. Und wenn er dumm ist, dann versetzt er die Sekretärin, weil er das nicht versteht, was die für eine Rolle hat im Netzwerk. Also so ein Knotenpunkt ist ganz wichtig.
Und dann gibt es auch noch die Brückenbauer. Es gibt ja häufig verschiedene Netze, verschiedene Gruppen, in denen wir uns bewegen. Es gibt das Netzwerk Arbeit, es gibt vielleicht das Netzwerk Sportverein oder es gibt das Netzwerk Musikgruppe und es gibt das Netzwerk Eltern in der Schule usw. Also wir sind in verschiedenen Netzen unterwegs. Und dann gibt es Leute, die bewegen sich immer nur in einem bestimmten Netzwerk. Das nennt man dann ein geschlossenes Netzwerk. Die haben immer mit den gleichen drei, vier, fünf Leuten Kontakt, aber mit keinem anderen.
Und dann gibt es Leute, die sind so zwischen den Netzwerken, die vermitteln zwischen den Netzwerken. Das sind so meistens sehr kommunikative Menschen. Ich wette, hier unter euch sitzen sehr viele Brückenbauerinnen und Brückenbauer. Deren Kennzeichen ist nämlich, dass sie zu solchen Veranstaltungen gehen z.B. und dann wieder nach Hause gehen und dort anderen Leuten davon erzählen. Ach, da hat der das und das erzählt, das fand ich ganz interessant. Und so wird das Wissen weitergetragen. Und wenn man neue Dinge implementieren will, es gab da mal so einen interessanten Versuch in Afrika, da wollte man ein neues Bewässerungssystem in so einer abgelegenen Gegend implementieren.
Man wollte die Leute davon überzeugen, dieses Bewässerungssystem einzubauen. Und man hat das erstmal so gemacht, wie man das halt so macht. Man ist da hingefahren und die westlichen Helfer und haben gesagt, hier, also hat eine Dorfversammlung gemacht und hat versucht, den Bürgermeister davon zu überzeugen. Also das ist total gut aus diesen und jenen Gründen. Und dann haben die gesagt, aha, ja interessant, lass das mal hier. Und dann kamen die westlichen Helfer nach zwei, drei Jahren und haben festgestellt, ach, das verrottet da hinten, rostet vor sich hin, niemand benutzt es.
Und dann hat man sich überlegt, wie muss man das anders machen. Und dann gab es so ein paar kluge Ethnologen, die haben gesagt, pass mal auf, wir machen das folgendermaßen, wir suchen jetzt erstmal nach den Knotenpunkten und Brückenbauern. Dann haben die sich wochenlang erstmal nur ins Dorf gestellt und haben geguckt, wer redet eigentlich hier mit wem, wer hat mit wem Kontakt. Und dann hat man die Leute auch so gefragt, was sind denn so eure Vertrauenspersonen, mit wem redet ihr und so.
Und dann hat man raus, hat sich so nach und nach rausgestellt, es gibt da so ein paar Figuren, das sind die wichtigen Knotenpunkte. Und dann hat man die überzeugt, die fünf, sechs Leute, weil man festgestellt hat, okay, das sind sozusagen die wichtigen Verteilerzentren und wenn die das akzeptieren und sagen, oh, das ist eine gute Sache, dann transportiert sich das zu den anderen auch ganz automatisch. Also insofern ist es immer gut, so ein bisschen in das Netzwerk mal reinzugucken und zu analysieren, wer hat denn hier eigentlich welche Rolle, wer macht nur mit, wer verbindet, wer ist ein Antreiber.
Und ein Tipp, wo man das mal so ein bisschen grafisch für sich selbst auch darstellen kann, ist sich zu Hause mal hinzusetzen, ein großes Blatt Papier zu nehmen, so DIN A3 oder so, und mal das eigene Netzwerk aufzuzeichnen. Also sich selbst in die Mitte zu setzen und dann die Leute, mit denen man sehr engen Kontakt hat, drumherum. Und dann die Leute, mit denen man sporadisch Kontakt hat, ein bisschen weiter weg. Und dann vielleicht auch noch die Leute, mit denen die wiederum Kontakt haben, mit denen ihr Kontakt habt.
Und dann merkt ihr plötzlich, wie das Netzwerk anfängt zu wachsen. Und wahrscheinlich werdet ihr auch feststellen, das Netzwerk ist viel größer, als ihr euch vorstellen könnt. Man denkt, ich kenne da so die fünf, sechs Leute und so. Und dann plötzlich stellt man fest, wow, die haben ja auch noch mit denen Kontakt und mit denen. Und plötzlich merkt man, man ist in so einer riesigen Netzwerkstruktur. Und das Netzwerk beeinflusst euch, aber ihr beeinflusst natürlich auch das Netzwerk.
Das ist ja ein lebendiges Gewebe. Und alles, was an einer Stelle passiert, hat Auswirkungen an die anderen. Also genauso wie in diesem Versuch über die drei Stufen, die glücklichen Freunde, die euch beeinflussen, beeinflusst ihr mit eurer Stimmung natürlich auch wieder andere. Das sind so Kettenreaktionen. Also wenn man morgens irgendwie schlecht gelaunt ist und irgendwie seine Frau anpflaumt, und dann ist die wiederum schlecht gelaunt und motzt den Bäcker an und der motzt sein und so weiter, da kann sich das wirklich so ziemlich weit verbreiten.
Das heißt, selbst wenn wir das nicht sehen, es ist uns nicht bewusst, aber natürlich hat das, was wir tun, Auswirkungen. Und damit bin ich jetzt beim zweiten Teil, bei den Gefahren der Gemeinschaft. Die muss man nämlich auch auf dem Schirm haben. Und ich möchte euch jetzt hiermit als Versuchspersonen, ich erkläre euch jetzt alle zu Versuchspersonen in einem psychologischen Experiment. Stellt euch vor, ihr wurdet gebeten, da an einem psychologischen Experiment teilzunehmen, und ihr sitzt da jetzt und das Experiment ist ganz einfach.
Werdet ihr gleich sehen, es ist ganz einfach. Und zwar bekommt ihr an der Wand immer zwei Bilder zu sehen. Und auf dem einen Bild sind drei Striche. Und auf dem anderen Bild ist ein einzelner Strich. Und ihr sollt sagen, mit welchem dieser drei Striche der übereinstimmt. Also hier steht A, B, C. Und dann sagt ihr, aha, der ist so lang wie der. Also ihr könnt das natürlich nicht rüberschieben, aber ihr guckt das so. Ja, also so wie A.
Okay, also das ist ein Versuch, der ist nicht allzu schwer, oder? Denkt ihr, okay. Und ihr sitzt da, so wie jetzt, mit anderen Versuchspersonen. Und der Versuch geht los, und dann sagt ihr A, und die anderen sagen auch alle A. Dann kommt der Nächste, und das geht immer so weiter, kommen immer neue Striche. Und dann sagt ihr B, und alle anderen sagen auch B, und so weiter. Und irgendwann sagt ihr A, und alle anderen sagen, nö, C.
Moment mal. Dann werdet ihr unsicher. Weil was ihr nicht wisst, ist, dass die anderen alle quasi Eingeweihte des Versuchsleiters sind. Die geben bewusst falsche Antworten. Ihr seid die einzige Versuchsperson, und die anderen wollen gucken, inwiefern ihr euch vom Mainstream beeinflussen lasst. Deswegen, um euch in Sicherheit zu wiegen, geben die am Anfang erstmal die richtigen Antworten. Dann denkt ihr, ja klar, wir sind uns ja alle einig. Und plötzlich seid ihr der oder die Einzige. Und wenn das so viele Leute sind wie hier, so 40, 50 Leute, dann wird das unangenehm.
Und alle sagen, C, klar, sieht man doch. Ne, vielleicht doch A. Und dann geht das so weiter, und es geht immer so weiter. Und dieser Versuch zeigt, also das wurde dann in verschiedenen Variationen durchgeführt, aber es zeigt sich, dass man in etwa einem Drittel der Fälle mit der Mehrheit stimmt, auch wenn die was Falsches sagt. Weil das einfach eine völlig verunsichernde Situation ist. Je größer die Gruppe wird, umso stärker wird dieser Effekt. Wenn da 100 Leute sitzen, und ihr seid der Einzige mit einer abweichenden Meinung, dann wird es sehr schwer, diese Meinung zu äußern.
Obwohl, ihr müsst nichts befürchten, ja niemand wird euch bedrohen oder so, aber trotzdem ist es uns zutiefst unangenehm, uns gegen die Gruppe zu stellen. Nun könnte man sagen, naja, das ist jetzt irgend so ein blödes psychologisches Experiment, aber tatsächlich begegnen wir diesem Effekt ja permanent in unserem Alltag. Im Internet zum Beispiel. Oh, dieses Buch hat 100 positive Bewertungen, muss ja toll sein. Permanent sind wir in solchen Situationen, wo plötzlich eine scheinbare Mehrheit, die im Internet ja gar nicht real sein muss, irgendetwas behauptet, und wir unsicher werden und denken, ja, das widerspricht ja zweitens dem, was ich so immer dachte, aber wenn die das alle sagen, dann muss da ja vielleicht was dran sein.
Und das ist eben dieser Konformismus-Effekt, der sozusagen die negative Rückseite des Gemeinsinns ist. Es gibt nämlich eben nicht nur den positiven Zusammenhalt, sondern es gibt eben auch dieses negative, sozusagen Leute zu einer Meinung zwingen. Wir erleben das momentan in Russland, was die Meinung über den Krieg angeht, dass da eben halt abweichende Meinungen gar nicht mehr geduldet werden. Da entsteht dann so eine stromlinienförmige Sache. Wir kennen das aus der deutschen Geschichte. Die Nazis waren extrem gut darin, keine abweichenden Meinungen zuzulassen, das gesunde Volksempfinden, das sozusagen nur eine Richtung kannte.
Und das hat, glaube ich, dieses Thema Gemeinsinn in Deutschland extrem in Verruf gebracht. Es gibt auch Forscher, die nach dem dritten Reich sagten, also hier in Deutschland ist der Begriff der Gemeinschaft tot, weil nach dem, was wir da erlebt haben, das will niemand mehr. Und deswegen ist es so wichtig, diese Gefahren zu kennen und einen positiven Begriff von Gemeinsinn zu entwickeln, dass man eben nicht in diese Falle fällt. Und das hat auch, man würde das jetzt vielleicht modern mit dem Unterschied zwischen Schwarmintelligenz und Schwarmdummheit beschreiben.
Es gibt beides, es gibt die Schwarmintelligenz, aber auch die Schwarmdummheit. Und was unterscheidet die? Und da kann man vielleicht die Geschichte des Ursprungs dieses Begriffes erzählen, die geht nämlich bis ins Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Da gab es einen britischen Naturforscher, Francis Galton, und der hat den Begriff der Weisheit der vielen geprägt, was modern sozusagen die Schwarmintelligenz ist. Und Galton war auf einem Viehmarkt in Großbritannien, und er hat dort gesehen, da gab es eine beliebte Wette.
Da wurde ein großer Ochse ausgestellt, und dann mussten die anwesenden Zuschauer dessen Gewicht raten. Und der, der am nächsten dran war, hat das Preisgeld bekommen. Und Galton, der war ein rastloser Forscher, der einfach wahnsinnig interessiert war an allem, und der hat diese ganzen Schätzungen aufgeschrieben. Und er hat zweierlei festgestellt. Das eine war, die lagen zum Teil extrem weit auseinander, manche lagen eher näher dran, andere lagen weit weg, aber keiner hat das Gewicht genau getroffen. Aber wenn man alle aufsummiert und die Quersumme bildet, dann trifft man genau das Gewicht des Ochsen.
Und das war für Galton die Weisheit der vielen, also alle zusammen entwickelnden Klugheit, die über die Klugheit des Einzelnen hinausgeht. Der Witz daran ist aber, dass die natürlich alle unabhängig voneinander ihre Schätzungen abgegeben haben. Und in Firmen und in Gruppen ist es oft ganz anders. Wenn es da um die Sache geht, dann sagt der Chef als erstes, also ich bin der Meinung, das, und dann gibt es eine große Gruppe, die sagt, ja Chef, wir sind da ganz Ihrer Meinung, und dadurch entsteht eine Verzerrung, weil sich dann kaum noch einer traut, eine völlig abweichende Meinung zu äußern.
Und bei dieser Weisheit der vielen, da gibt es halt auch Sachen, die liegen ganz weit außerhalb dieses Spektrums, und die zählen genauso mit. Das heißt, auch die abweichenden Meinungen gehören zur Weisheit der vielen. Und das ist, glaube ich, eine wirklich tiefe Weisheit, dass man nicht meinen muss, Gemeinsinn heißt, dass alle einer Meinung sein müssen, sondern die Stärke ist gerade, dass wir verschiedene Meinungen zusammenbringen. Aber das ist natürlich nicht so leicht. Ja, das sagt sich so leicht, verschiedene Meinungen zusammenbringen, aber in der Realität, wenn jemand kommt, der eine andere Meinung als ich hat, dann fühle ich mich gleich angegriffen.
Da denke ich, Moment, ich habe doch Recht. Das ist ja der Behindertverteidigung. Statt zu sagen, Moment, vielleicht haben wir ja beide Recht. Das ist wie in dieser berühmten Geschichte von den drei Blinden, die den Elefanten betasten. Kennt ihr vielleicht? Drei Blinde betasten einen Elefanten, und der erste bekommt die Beine zu fassen und sagt, ja, also dieses Tier besteht aus Säulen. Und der nächste bekommt den Rüssel zu fassen und sagt, nee, nee, nee, dieses Tier ist wie ein großer Schlauch.
Und der dritte bekommt den Schwanz zu fassen und sagt, nee, dieses Tier ist wie so eine große Quaste. Und die streiten sich dann total, weil jeder sagt, ich habe doch Recht. Und es hat auch jeder Recht, aber eben nur in seiner Perspektive. Und die Kunst ist sozusagen, die übergeordnete Wahrheit zu erkennen. Da sozusagen einen Schritt zurückzutreten und zu sagen, okay, ich habe Recht, vielleicht hat der andere aber auch irgendwo Recht, und wo könnten wir zusammenkommen? Und das ist sozusagen die große Herausforderung des Gemeinsinns heute, die den Gemeinsinn eben von diesem gesunden Volksempfinden oder von dieser konformistischen Gleichschaltung unterscheidet.
Und wie man da hinkommt, das ist sozusagen die große Frage. Bevor ich jetzt gleich zum letzten Teil komme, möchte ich zwischendurch, ich versuche immer mal wieder auch so ein paar praktische Tipps einzubauen, dass es nicht so ganz theoretisch wird, weil ich auch in meinem Buch immer wieder so praktische Vorschläge mache. Und an der Stelle vielleicht einen praktischen Vorschlag, wie kann man versuchen, Leute, die auch vielleicht unterschiedliche Positionen haben, wie kann man da so eine gemeinsame Grundlage finden? Weil das Schwierigste ist ja erstmal überhaupt, eine Grundlage zu finden, wo man sich einig ist und von der aus man dann versuchen kann, eine Brücke zu bauen.
Und damit hat sich ein britischer Historiker beschäftigt, und der hat einen Vorschlag gemacht für eine besondere Art des Konversations-Dinners, hat er das genannt, weil er sagte, eigentlich Essen und Reden ist so etwas ganz Urmenschliches und machen wir auch ständig, aber nicht immer glückt das Gespräch. Also manchmal gibt es so Gespräche, wo jeder nur versucht zu erklären, wie toll er ist, oder wo man nur so Banalitäten austauscht oder wo man über heikle Themen lieber nicht redet, weil man denkt, oh, also über Fußball rede ich lieber nicht mit dem, weil der hat einen anderen Verein und so.
Also so ein Gespräch ist gar nicht so einfach. Und er hat sich überlegt, über was könnte man reden, um eine grundlegende menschliche Ebene zu treffen, die wir alle teilen. Und er hat sich dann sehr ungewöhnliche Fragen ausgedacht und seine Idee war, man gibt zum Essen so eine Art Speisekappe von Fragen, wo also zum Vorspeise gibt es drei Fragen, zur Nachspeise drei und zum Hauptgang gibt es drei Fragen, und man guckt sich die zusammen an, zu zweit, und wählt jeweils eine Frage aus und die bespricht man dann während des Essens.
Und die Fragen sind sehr ungewöhnlich, die gehen nämlich in so, ich gebe euch mal ein paar Beispiele. Also zum Beispiel, wenn es eine Zeitmaschine gäbe, wohin würdet ihr reisen und warum? In die Vergangenheit, in die Zukunft? Das sind natürlich Fragen, auf die gibt es keine feststehende Antwort, das ist ja das Interessante. Da gibt es auch kein richtig oder falsch, da geht es auch nicht darum, ich habe Recht und du bist im Unrecht, sondern das sind Fragen, die sind so offen.
Oder die Frage, in welchem Film könnte man dich gebrauchen und in welcher Rolle? Oder die Frage, kann man eigentlich alles falsch machen? Und meine Lieblingsfrage, wäre der Teufel zufrieden mit dir? Und wenn man über die Frage redet mit jemand, dann wird es interessant, weil dann rutscht man nicht in diese üblichen, was weiß ich, politischen oder sonstigen Sachen, sondern dann kommt man auf eine sehr existenzielle Ebene und dann kann man auch vielleicht mit jemand, der eine ganz abweichende Meinung hat, plötzlich auf einer ganz anderen Ebene eine Gemeinsamkeit finden.
Also insofern ist das zumindest ein interessanter Versuch, den man mal ausprobieren kann, mal mit solchen Fragen zu arbeiten. Ist der Teufel zufrieden mit dir? Also ich habe noch keine feststehende Antwort gefunden, manchmal denke ich, manchmal denke ich, na da vielleicht weniger, aber es ist eine Frage, die arbeitet so und das ist das Interessante daran. So, jetzt möchte ich aber zum versprochenen dritten Teil kommen, wie kann man denn jetzt die Vernetzung gut nutzen? Ich hatte ja gesagt, wir werden vom Netzwerk permanent beeinflusst, aber wir beeinflussen auch das Netzwerk und das ist jetzt die Frage, wie kann man das Netzwerk auf eine positive Weise beeinflussen, ohne sozusagen von dem permanent in eine bestimmte Richtung gedreht zu werden.
Und auch da gibt es eine ganze Reihe von verschiedenen Studien, vielleicht als erstes die Studie, die erforscht hat, wie bringt man Menschen am besten zum Energiesparen. Das war eine Studie in den USA und da haben die Forscher vier Gruppen gemacht von Versuchspersonen und dann hat man vier verschiedene Strategien ausprobiert. Die erste Gruppe, der wurde erklärt, wie viel Geld sie sparen können, wenn sie so und so viel Energie sparen, dann haben sie am Ende des Monats so und so viel Geld gespart.
Der zweiten Gruppe wurde genau erklärt, was das für positive Effekte für die Umwelt hat. Der dritten Gruppe wurde gesagt, dass sie eine moralische Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen hat, also wurde an das moralische Gewissen appelliert und der vierten Gruppe wurde einfach nur gesagt, übrigens die Mehrheit ihrer Nachbarn macht es schon. Jetzt ist die Frage, welche dieser vier Gruppen hat am Ende der Versuchszeit am meisten Energie gespart? Ihr ahnt es schon, die vierte Gruppe, die einfach dem Vorbild der Nachbarn gefolgt ist.
Und dann hat man die gefragt, warum habt ihr denn Energie gespart? Und dann haben die gesagt, weil man natürlich Geld spart und weil es der Umwelt nützt und weil wir eine Verantwortung für die nachfolgende Generation. Keiner hat gesagt, weil es die anderen machen. Aber das war der Grund. Es widerstreht uns zutiefst zu sagen, wir machen das, weil es die anderen machen, aber leider wirkt das extrem gut. Jetzt ist die Frage, wie viel andere braucht es denn, um uns persönlich zu beeinflussen? Ach so, vielleicht vorher noch ein kleiner Tipp.
Also wenn man diesen Effekt positiv nutzen will, zum Beispiel wenn man in seinem eigenen Leben was verändern möchte, also wenn man sich sagt, ich will mehr Sport machen oder ich will eine Sprache lernen oder ich will Japanisch kochen können oder irgendetwas, dann ist der einfachste und beste Trick, sich Gleichgesinnte zu suchen. Eine Jogginggruppe oder eine Sprachenlerngruppe oder eine Japanisch Kochkursgruppe zu gründen. Man hat eine Gruppe von Leuten und die sorgen automatisch dafür, dass ihr bei der Stange bleibt.
Wenn er das nämlich alleine angeht, dann geht er drei Wochen total zielstrebig joggen. In der vierten Woche kommt dann was dazwischen, da passt es gerade nicht so gut, sagt er, ach ich lasse es mal ausfallen und so. Wenn es aber eine Gruppe gibt und ihr wisst genau, wenn er das jetzt ausfallen lässt, dann kriegt er von denen blöde Kommentare zu hören, okay, gehe ich halt hin. Also das ist das allerbeste Mittel, um ein gewünschtes Verhalten zu erreichen.
Sucht euch Gleichgesinnte, nutzt diesen Effekt der Gemeinschaft positiv. Jetzt ist die Frage, okay, im Individuellen funktioniert das so, aber wie ist es in der Gesellschaft? Wir haben vorher gehört, mit der Nachhaltigkeit vor 14, 15 Jahren war man dann auch so ein einsamer Rufer in der Wüste, eine einsame Ruferin in der Wüste und da hat sich aber so ein bisschen was verschoben. Und da merkt man, so Gesellschaften, die haben ein unheimliches Beharrungsvermögen, der Mainstream ist total stark, weil er sich ja selbst reproduziert.
Wenn wir uns am Verhalten der anderen orientieren, dann heißt das erstmal, ein bestehendes Verhalten reproduziert sich immer selbst, weil alle gucken, was machen die anderen und wenn die anderen alle Autofahren, dann fahre ich halt auch. Sag ich, naja, wenn die noch fahren oder fliegen, dann mache ich es halt auch. Das heißt aber gleichzeitig, wenn sich das Verhalten der anderen verändert, verändert sich auch mein Verhalten. Und jetzt ist die Frage, wie viel braucht es, also wie viel Prozent der Bevölkerung braucht es, damit so ein Verhalten kippt? Und die Antwort ist, es braucht nicht die Mehrheit.
Es reichen 10 bis 25 Prozent. Es reicht eine Minderheit, die allerdings sehr entschlossen sein muss. Weil die Mehrheit der Menschen ist eher unentschieden. Die sind nicht so ganz, sozusagen dedicated, sondern die sind eher so ein bisschen, ja, die gucken links und rechts, was machen die anderen. Also die meisten Menschen machen das, was die meisten Menschen um sie herum machen. Wenn es jetzt eine sehr entschlossene Gruppe gibt, die ein bestimmtes Verhalten gegen den Mainstream durchzieht, dann zieht das erstmal die Leute in ihrem Umfeld mit.
Ein sehr bekanntes Beispiel ist Greta Thunberg. Wer hätte gedacht, vor dem Sommer 2018, dass eine einzelne Schülerin, die sich mit einem Plakat vor den schwedischen Reichstag setzt, dass die irgendetwas bewirken kann? Wahrscheinlich hätte jeder gesagt, ja, nette Aktion, aber vergiss es. Aber Greta ist tough, die hat sich nicht abbringen lassen. Dann gab es ein paar andere Leute, die haben mitgemacht. Dann kamen irgendwann die Medien, die fanden das interessant. Dann gab es Berichte über die. Das hat wiederum andere angeregt.
Und irgendwann wurde da eine weltweite Bewegung draus. Und da sieht man, wie sowas ins Rollen kommen kann. Und das ist auch sozusagen so ein Mittel. Es gibt auch Leute, die sagen, es gibt nicht nur im Klima Kipppunkte, sondern es gibt auch im sozialen Verhalten Kipppunkte. Also dass ein Verhalten sehr starr und unbeweglich scheint und sehr stabil. Und wenn es aber genügend Abweichler gibt, dann kann es sein, dass plötzlich das Verhalten kippt. Das merkt man meistens erst im Nachhinein.
Als ich zum Beispiel als junger Redakteur bei der Zeit anfing, da war es noch völlig normal, dass in den Konferenzen geraucht wurde. Also wenn man da in der Konferenz saß, da sah man oft das andere Ende des Tisches nicht, weil da so alle haben gequallt, ohne Ende. Es standen zum Teil auch Whiskyflaschen auf dem Tisch. Das war normal. Heute ist es absolut normal, dass niemand raucht und dass natürlich keine Whiskyflaschen auf dem Tisch. Innerhalb dieser Zeit, in der ich da bin, ist dieses Verhaltensregime komplett gekippt.
Das, was damals selbstverständlich war, ist es heute nicht mehr. Und das, was früher undenkbar war, ist jetzt selbstverständlich. Und momentan stecken wir in so einem Umbruch unseres Energie- und Klimaregimes. Vielleicht wird man in 50 Jahren sagen, was? Ihr seid damals noch Auto gefahren mit diesen Verbrennermotoren? Das ist ja irre. Ja, sagen wir dann, das haben alle anderen auch so gemacht. Jetzt habe ich kürzlich einen Kollegen von mir beschrieben, der war in Singapur, wo das erste Kunstfleisch aus dem Labor entsteht.
Also echtes Fleisch, aber nicht von Tieren, sondern in der Petrischale gezüchtet. Aber es ist reales Fleisch. Und vor 10 Jahren war das noch wahnsinnig teuer. Da hat so ein Burger aus diesem Kunstfleisch 250.000 Euro gekostet. Jetzt ist dieses Fleisch in Singapur, wo das als erstes zugelassen wird, da gibt es ein Restaurant, da kann man das kaufen. Und jetzt ist die Frage, wie lange dauert es, bis dieses Kunstfleisch irgendwie den Markt erobert? Da kann man jetzt zugucken.
Das wird eine interessante Frage. Es gibt da sehr abweichende Prognosen. Die einen sagen, das wird nie was. Und die anderen sagen, in 10 Jahren wird die Hälfte unseres Fleisches Kunstfleisch sein. Also haltet mal die Augen offen, wie lange es dauert, bis dieses Regime kippt. Und vielleicht sagen eure Enkel irgendwann zu euch, was, ihr habt noch Fleisch von richtigen Tieren gegessen? So richtig getötet? Seid ihr denn irre? Kann sein. Und dann sagt ihr auch, das haben aber alle gemacht.
Das war ganz normal damals. Kann sein. Im Nachhinein weiß man es immer besser. Also, das zeigt so ein bisschen, dass man nicht immer auf die Mehrheit warten muss. Man braucht aber natürlich eine Gemeinschaft von Leuten, die sich auch gegenseitig unterstützen, die entschlossen sind. Greta Thunberg sagte mal, der wichtigste Schritt ist der Schritt von 1 zu 2. Wenn ich alleine bin, dann bin ich nur einer. Wenn ich 2 bin, dann habe ich schon verdoppelt. Und wenn 2 da sind, dann gibt es bald auch 4.
Und dann gibt es bald 8. Und dann geht es exponentiell. Und ich glaube, es ist ganz gut, sich diese Verhaltensänderung in der Gesellschaft wie so Dominosteine vorzustellen. Wir sind alle Dominosteine, die sich am Verhalten der anderen ausrichten. Wenn der Stein vor mir kippt, dann kippe ich auch. Und dann bringe ich den Nächsten zum Kippen. Oder wenn ich sehr widerständig bin, dann kann ich auch stehenbleiben als Einziger und so eine Bewegung zum Stoppen bringen. Aber es ist gut, diese Mechanismen im Hinterkopf zu haben, um zu wissen, will ich das Befördern, das Kippen, oder will ich stehenbleiben? Ist es eine positive oder ist es eine negative Entwicklung? Und ich als Einzelner, auch wenn ich das Gefühl habe, das kam vorher, was kann ich als Einzelner schon tun? Da ich immer Teil eines Netzwerks bin, habe ich einen Einfluss, auch wenn ich ihn nicht sehe.
Und das ist, glaube ich, ganz wichtig. Nicht zu gucken, was kann ich jetzt mit meinem Verhalten konkret bewirken, sondern in dem Moment, wo man sich als Teil eines Netzwerks sieht, dann ändert sich die Perspektive. Und ich gebe zu, wenn man momentan auf die globalen Probleme guckt, wir haben Krieg in der Ukraine, wir verfehlen sämtliche Klimaziele, es bewegt sich viel zu langsam in Sachen Umwelt und Artenschutz und Nachhaltigkeit, da könnte man echt verzweifeln. Da könnte man denken, boah, vergiss es, wir schaffen es nicht und so weiter.
Und ich würde sagen, die Frage ist offen. Also ich glaube nicht, dass man sagen kann, hundertprozentig, das wird was. Es ist auch nicht so, dass man sagen kann, das wird auf jeden Fall nichts. Und ein Gedanke, der mir immer hilft in solchen Situationen, ich denke dann an das Jahr 1248. Warum 1248? Das Jahr 1248 war in vielerlei Hinsicht ein ganz normales Jahr. Es gab Unglücke, es gab Naturkatastrophen. Deutsche Ritter sind aufgebrochen zu einem Kreuzzug ins Heilige Land und haben dort Leute massakriert, also übliches menschliches Verhalten.
In der Stadt Zwickau wurden damals offene Kohlefeuer verboten, wegen der Luftverschmutzung, kommt uns auch irgendwie bekannt vor. Also vieles, was man so kennt. Und so ein paar Verrückte haben in der Stadt Köln begonnen, einen Dom zu bauen. Kölner Dom, 1248 wurde der begonnen. 1880 vollendet, 600 Jahre später. Die haben 600 Jahre an diesem Ding gebaut. Und ich frage mich dann, mit welcher Geisteshaltung haben die das Ding angefangen? Weil die, die angefangen haben, die wussten ja, also wir sehen das Ende von diesem Bau nie im Leben.
Wir wissen auch überhaupt nicht, ob das jemals irgendwas wird, oder ob vielleicht die nächste Generation sagt, so ein Quatsch, das hören wir auf. Oder ob die Arbeiter davon laufen, ob das Geld ausgeht, das wussten sie alles nicht. Die konnten sozusagen nur auf so ein Fundament aus Zuversicht bauen. Sagen, wir sind davon überzeugt, dass das eine gute Sache ist, wir fangen das jetzt an. Und setzen darauf, dass nachfolgende Generationen das fortsetzen. Und ich glaube, mit so Themen wie Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit ist es ganz ähnlich.
Das sind Jahrhundertaufgaben, an denen viele Generationen beteiligt sind. Nehmen wir nur mal so Sachen wie Abschaffung der Sklaverei oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die ersten, die für Gleichberechtigung eingetreten sind, die wurden total verlacht. Diese Fragetten und so, die hatten es nicht leicht. Und man kann auch heute immer noch sagen, es ist noch nicht hundertprozentig gleichberechtigt. Aber wir haben da schon ein ganzes Stück geschafft. Aber in dem Moment, wo man sozusagen nicht mehr nur auf sich selbst und sein eigenes Wirken fokussiert, sondern sich in so einen größeren Zusammenhang stellt, dann passiert was anderes.
Dann merkt man, man ist nicht nur in einem räumlichen sozialen Netzwerk, sondern auch in einem zeitlichen Netzwerk. Mit Leuten, die euch vorausgegangen sind, die euch nachfolgen werden, die diese Ideen weitertragen. Und das Beste, was man machen kann, ist, die Ideen, für die man kämpft oder die man brennt, die einfach weiterzutragen und darauf zu setzen, dass sie sich durch das Netzwerk verbreiten. So, und jetzt bin ich am Ende und möchte euch, wie versprochen, noch die Geschichte von Himmel und Hölle erzählen.
Was der Unterschied ist, das ist eine Geschichte, die wurde mir mal von einem alten Zennmönch erzählt. Und ich fand, die passt extrem gut zu diesem Thema gemeinsam, weil sie das alles in einem Ding noch mal bündelt. In einer Geschichte, worauf es ankommt. Das ist eine Geschichte aus dem asiatischen Kulturkreis und geht also folgendermaßen. Da kommt ein Schüler zu seinem Meister und sagt, Meister, gibt es Himmel und Hölle wirklich? Und wie sieht es dort aus? Und der Meister tut ihm so ab und sagt, das ist nur eine Frage der Geisteshaltung.
Denkt der Schüler, was? Frage der Geisteshaltung? Verstehe ich nicht. Kommt am nächsten Tag wieder, fragt ihn wieder und so weiter. Er fragt ihn jeden Tag, löchert er seinen Meister? Und eines Nachts erscheint ihm der Meister im Traum und sagt, komm mit, ich zeige dir es. Nimmt ihn also bei der Hand und sie gehen auf ein großes Tor zu, öffnen das Tor und kommen in einen Raum, in dem eine gespenstische Stimmung herrscht. Ganz lange Tische stehen da, links und rechts sitzen Leute.
Die haben alle dampfende Schalen mit Essen vor sich, aber sie haben ein Meter lange Essstäbchen. Und mit denen schaffen sie es nicht, sich das in den Mund zu schaufeln. Das heißt, die haben wahnsinnig Hunger, die sitzen vor dem dampfenden Essen und können es nicht essen. Die sind alle völlig natürlich entsprechend verzweifelt und genervt und so. Und der Meister dreht sich um zum Schüler und sagt, das ist die Hölle. Und dann gehen sie weiter und kommen auf ein zweites Tor zu, öffnen es, kommen in einen zweiten Raum.
Da schallt ihnen Gelächter und heitere Stimmung entgegen. Aber eigentlich sieht es genau gleich aus. Lange Tische, links und rechts sitzen Menschen, ein Meter lange Essstäbchen und jeder hat eine Schale mit Essen vor sich. Was ist der Unterschied? Die greifen mit ihren Stäbchen über den Tisch in die Schale des Gegenübers und reichen sich gegenseitig freundlich das Essen an. Und dann sagt der Meister, und das ist der Himmel. Alles eine Frage der Geisteshaltung. Vielen Dank, das war es.
Jetzt freue ich mich auf eure Fragen, Anmerkungen, Kommentare. Machst du die Moderation? Wir übernehmen wieder an der Stelle. Ihr habt ja auch wahrscheinlich die Online-Fragen. Wir nehmen auch Online-Fragen entgegen, falls da jemand Fragen hat. Und natürlich aus dem Publikum gerne von Ihnen und von euch. Wir können gerne das Gespräch eröffnen. Ich denke, da sind bestimmt einige Anmerkungen und Fragen. Vielleicht Überlegungen, die das jetzt wachgerüttelt hat bei euch. Gerade mit dieser Wahrnehmung, was hat denn jetzt die Mehrheit für eine Meinung? Welche Rolle spielen die Medien? Da kann ich mich direkt an den Medienvertreter fragen.
Und wo sehen Sie da die Probleme? Die Medien sind natürlich so eine Art Verstärker. Es gibt ja diesen Vorwurf der Lügenpresse usw., der suggeriert, die Medien könnten selbst was steuern. Aber das ist ein Irrtum, weil die Medien selbst ja wiederum aufnehmen. Sie wollen ja ihr Blatt verkaufen. Und deswegen versucht man die Themen zu treffen, die die Leute interessieren. Oder von denen man denkt, dass sie die Leute interessieren. Also jetzt mal so ganz platt gesagt, man thematisiert ähnlich wie Politiker, die halt auch versuchen, das, was sie an Stimmung in der Bevölkerung meinen zu spüren, das transportieren sie weiter.
Und insofern verstärken sie es natürlich. Das, was sie transportieren, verstärken sie. Machen das größer. Und da kommt jetzt das Problem ins Spiel, dass wir alle wissen, dass unser Gehirn auf negative Botschaften stärker anspringt. Also wenn ich sage, alles in Ordnung, dann schaltet das Gehirn ab und denkt, ist ja alles easy. Wenn ich sage, Achtung, Gefahr, da hinten kommt ein Säbelzahntiger, bin ich wach. Und dieser Effekt, der funktioniert auf sehr vielen Ebenen. Also deswegen wird zum Beispiel irgendwo eine Seilbahn abstürzt.
Das ist eine Nachricht. Seilbahn abgestürzt, 20 Tote, riesige Bilder, riesige Schlagzeile. Die Schlagzeile, alle Seilbahnen in Europa fahren reibungslos, tausende von Passagieren ohne Probleme befördert. Das ist keine Schlagzeile. Würde keine Zeitung verkaufen, würde auch wahrscheinlich niemand kaufen. Dann würde man sagen, ach das ist ja nett, ja okay. Trifft die Realität aber viel besser oder ist viel näher an der Realität. Das heißt, wir berichten nur dann, wenn was schief geht. Jetzt mal so sehr vereinfacht gesagt. Negative Nachrichten kannst du extrem gut transportieren.
Meistens findest du noch einen Schuldigen. Das ist oft so eine Nachricht, wo man ein Bild zeigen kann. Das kannst du auf ein Ereignis verdichten. Positive Nachrichten sind sehr viel schwieriger, weil das sind oft langsame Entwicklungen, wo sich etwas langsam verändert. Da sind viele Leute beteiligt. Das sind alles Faktoren, die es journalistisch schwieriger machen. Das heißt, die Medien transportieren ein verzerrtes Bild der Realität, das nicht dem entspricht, was tatsächlich da ist. Ich würde sagen, es ist negativ verzerrt.
Das heißt nicht, dass es falsch ist, aber es transportiert halt vordringlich die eine Seite. Und die andere, die positive Seite, die fällt oft unterm Tisch. Und das wirkt natürlich aber auf uns zurück, weil wir das Gefühl haben, oh Gott, die Welt, das ist ja alles schrecklich. Also ich bin mittlerweile dazu übergegangen, so eine Art, mir eine strenge mediale Hygiene zu verordnen. Dass ich zum Beispiel abends nach neun Uhr keine Nachrichten mehr schaue oder Zeitung lese. Weil A kann ich um neun Uhr meistens an diesem Ding nichts mehr verändern.
Ich kann auch vorher nichts verändern, aber ab nach neun wahrscheinlich sowieso nicht. Ich schlafe schlecht. Also das hilft niemandem. Man muss sich wirklich überlegen, okay, wie gehe ich damit klug um? Was lasse ich in meinen Kopf? Was hilft mir? Was bringt mich in die Lage, etwas zu verändern und was lähmt mich nur? Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Fähigkeit, die wir im Umgang mit Medien entwickeln müssen. Natürlich muss man grob wissen, was da so abgeht in der Welt.
Das heißt nicht, dass man sich von allen Nachrichten abkoppelt, aber man muss um diesen Effekt wissen. Und ich versuche da selber immer wieder dagegen anzuschreiben, was nicht so ganz einfach ist. Nur ein Beispiel. Es gab einen Vorabdruck von diesem Buch in der Zeit. Zwei Wochen vorher hatte der Chefredakteur noch groß gesagt in der Konferenz, also wir brauchen mal was Positives. Wir berichten nur über schlimme Sachen. Ukrainekrieg und diese Sachen. Haben wir nicht mal was Positives? Dann habe ich gesagt, ja, ich habe da ein neues Buch.
Positive Botschaft, Zusammenhalt und so. Ja gut, es wurde dann die Titelgeschichte. Aber dann ging es um die Frage, was schreiben wir denn auf die Seite 1? Wie verkaufen wir die Geschichte? Und da sagte der Chefredakteur, also sowas wie, was hält uns zusammen? Nee, da weiß man ja schon, was kommt. Das ist ja viel zu positiv. Nee, wir müssen das anders drehen. Am Ende stand auf der Seite 1, die Stunde der Egoisten, Fragezeichen. Also wir haben es geschafft, eine eigentlich positive Geschichte über die Gefahr zu verkaufen.
Und das ist so zu funktionieren, Medien. Das ist manchmal nicht so leicht, wenn man da drinsteckt und versucht, was zu verändern. Ja, da ist auch so ein Kampf. Weitere Fragen von euch, von Ihnen? Vielleicht noch ganz kurze Hinweise an der Stelle, weil es gut passt. Und weil wir diese Themen auch oft in unseren Veranstaltungen haben. Es gibt auch Medien, die vorrangig gute Nachrichten kommunizieren. Goodnews.eu zum Beispiel. Also wenn man das Gefühl hat, oh Gott, all diese negativen Nachrichten lähmen mich gerade.
Dann kann das einfach mal guttun, auf diese Seite zu gehen. Und dort mal gute, real existierende Neuigkeiten. Ja, wahrzunehmen. Wenn ihr euch nicht traut, über das Mikro Fragen zu stellen. Oder wenn ihr es einfach bevorzugt, das schriftlich abzugeben. Ihr könnt gerne das Tool, das ihr vorhin benutzt habt, für die Meinungsumfrage auch nutzen, um eure Fragen zu stellen. Einfach genau nochmal auf diesen Bildschirm gehen. Ich freue mich übrigens auch über Widerspruch. Also ihr müsst auch nicht in allem einer Meinung sein.
Ihr könnt es ganz anders sehen. Nur zu, keine Hemmungen. Ich hätte noch eine Frage. Ich würde nochmal auf das Experiment kommen, das wir am Anfang hatten. Mich würde interessieren, warum das Bild so ist, dass wir so denken. Ob es vielleicht andere Kulturen gibt, wo das anders ist. Ob das vielleicht früher mal anders war. Und ob das dann die absolute Utopie wäre. Sehr, sehr gute Frage. Sehr gute Frage. Da kann man viel dazu sagen. Also A, es gibt andere Kulturen, da ist es anders.
Es gab so ein riesiges Forschungsprojekt, wo 140 Kulturen weltweit untersucht wurden. Auf ihren Gemeinsinn. Ich kann bei Bedarf gerne erklären, wie man das gemacht hat. Aber es wird jetzt vielleicht hier ein bisschen zu weit. Also man hat geguckt, wie stark ist da der Zusammenhalt. Und man hat festgestellt, es gibt Kulturen, da sind die extrem egoistisch. Und dann gibt es andere Kulturen, da ist es genau umgekehrt. Die sind extrem aufeinanderbezogen. Und das hängt ganz stark von den Lebensbedingungen ab.
Also die gemeinsinnigste Kultur war eine Gemeinschaft von Walfängern in Indonesien. Die auf sehr traditionelle Weise zum Walfang gingen. Und zwar mit so ganz kleinen Schilfbooten. Oder sehr wackeligen, nicht kleinen, aber wackeligen, selbstgebauten Booten. Es war eine total riskante Sache. Also nicht so wie heute diese riesigen Schiffe, die da diese Tiere abschlachten. Sondern da hatte der Wal eine echte Chance. Weil wenn er das Boot zum Kentern brachte, dann war es um die Fischer geschehen. Und die mussten extrem kooperativ arbeiten.
Also da hing das Überleben der ganzen Mannschaft davon ab, dass alle Hand in Hand gearbeitet haben. Und auch nicht nur die, die im Boot waren, sondern auch die Bootsbauer und Segelmacher. Also sozusagen eigentlich die ganze Gemeinschaft, die drumherum war. Die hatten nur eine Chance zu überleben, wenn sie extrem kooperativ zusammengearbeitet haben. Und bei denen war also so ein extremer Gemeinsinn. Also das haben die Forscher getestet mit so einem Spiel, wo es darum ging, man musste Geld teilen.
Und die beiden durften die Summe nur behalten, wenn beide die, sozusagen die geteilte Summe. Also die haben, ein Spieler hat 100 Euro bekommen und er musste mit einem zweiten teilen. Er musste dem was abgeben, er konnte selbst entscheiden, wie viel er abgibt. Und am Ende konnten sie beide die Summe nur behalten, wenn beide zugestimmt haben. Und bei uns etwa, da gibt der etwa 50 Prozent ab, weil er weiß, das ist so das Gerechte. Und bei denen, da hat der 70, 80 Prozent abgegeben.
Der hat also viel mehr abgegeben, als er eigentlich musste, weil für die völlig klar war, wir brauchen einander und ich gebe dir lieber mehr, als ich brauche. Da haben einfach die Umweltbedingungen dazu geführt, dass ein extrem starker Gemeinsinn da war. So, jetzt ist die Frage, war das in Deutschland mal anders? Ja, bin ich ziemlich sicher, auch wenn man da natürlich keine solche Experimente angestellt hat. Aber zum Beispiel in Notzeiten, da fangen die Leute an automatisch zusammenzuhalten.
Aber wir leben in einem riesigen Wohlstand, in einer sehr individualistischen Welt, im real existierenden Kapitalismus, wo man das Gefühl hat, man kann sich alles kaufen, man braucht den anderen nicht, man sichert sich ab durch Versicherung, durch Krankenversicherung. Wenn man was hat, geht man zum Arzt, wenn das Auto steigt, geht man zum Automechaniker. Ich brauche den Nachbarn eigentlich gar nicht unbedingt. Also dieses Gefühl, ich kann alles selbst, ich kann mir alles selbst irgendwie zukaufen, ich brauche die anderen nicht, das erzeugt natürlich so das Gefühl, ich bin ja auf die anderen gar nicht angewiesen.
Und insofern glaube ich, dass die Krisen, die uns bevorstehen, in die wir jetzt hineinlaufen, die werden das verändern, weil wir irgendwann merken, hoppla. Ich meine, Corona war schon so ein Vorgeschmack, würde ich sagen, weil wir da plötzlich gemerkt haben, oh, wir sitzen doch irgendwie alle in einem Boot. Also die Viren der anderen, die kommen auch irgendwie zu mir und mein Freiraum hängt vom Verhalten der anderen ab. Das war schon mal so ein Hinweis darauf, wie sehr wir vernetzt sind und wie sehr wir voneinander abhängig sind.
Aber ich bin der festen Überzeugung, dass sich das in den nächsten Jahren stark verändern wird, weil wir einfach feststellen, dass diese Art des sehr Individualistischen, ich brauche die anderen nicht, weil das einfach nicht weiterführt, weil wir jetzt zum Beispiel auch an einem Punkt sind, wo wir feststellen, wir können auch den Planeten nicht so behandeln, als ob wir ihn nicht brauchen. Dann schlägt er nämlich zurück. Wir sind auch da in einem Netzwerk, in einem lebendigen Netzwerk mit anderen Tieren, mit der Natur und so weiter.
Und wenn wir nicht darauf achten, wie wir die behandeln, dann kriegen wir das irgendwann zu spüren. Das dauert natürlich beim einen, also die Verdrängung ist enorm. Das ist auch interessant festzustellen. Manchen Leuten ist das sehr bewusst, andere Leute haben es noch überhaupt nicht wahrgenommen. Aber ich glaube, das wird in den nächsten Jahren mehr und mehr ins Bewusstsein einzig kommen. Von daher glaube ich, ja, das wird sich verändern. Aber es kann auch eine Weile dauern. War das eine Antwort? Ich hätte noch eine Frage bezüglich der Statistik.
Das ist jetzt etwas ganz anderes, das ist ein bisschen schwierig jetzt, weil Sie haben gesagt, ungefähr bei 10 Prozent von einer Gruppe hätte ein gewisser Einfluss oder könnte zu einer Meinungsänderung führen. Ich hatte, ich weiß nicht woher, eine andere Statistik, dass zum Beispiel für Parteien, das würde erst so mit 30 Prozent, geht man davon aus, dass die einen gewissen Einfluss haben. Und dann finde ich das auch ein bisschen schwierig zu sagen. Also nehmen wir das Beispiel Greta Thunberg, was Sie da genannt haben mit 10 Prozent.
Ja, sie hat zu einer gewissen Sensibilisierung sicherlich beigetragen. Aber was versteht man dann unter Einfluss? Das ist ja, insofern weiß ich jetzt nicht. Ich wollte nochmal da ein bisschen... Ja, ja, ist gut. Erstens, man sollte sich nicht zu sehr an diesen Zahlen aufhängen. Ich hatte ja gesagt, zwischen 10 und 25 Prozent. Also es gibt verschiedene Experimente, die auf verschiedene Art ausgeführt wurden, um rauszukriegen, wie viel braucht es. Und in einem Experiment waren es 10, im anderen waren es 25.
Also es gibt nicht so die eine Zahl, wo man sagen kann, aha, wenn es so viele sind, dann kippt es. Es geht mehr ums Prinzip. Also das Prinzip ist, dass es nicht eine Mehrheit braucht, um eine Änderung durchzusetzen, sondern dass oft eine sehr engagierte Minderheit reichen kann. Ob die jetzt 10 oder 25 oder vielleicht 30 ist, finde ich jetzt nicht so wichtig, bei welcher Zahl das genau passiert. Sondern es geht um diesen Mechanismus, dass man mit einer sehr entschiedenen Haltung eben großen Einfluss haben kann.
Greta Thunberg, kann man sagen, ja, was hat die denn schon erreicht? Das Klima heizt sie immer noch auf. Aber das wäre natürlich zu kurz gedacht, weil wir stecken in einem Netzwerk von 8 Milliarden Menschen. Es ist völlig ausgeschlossen, dass eine Person irgendetwas alleine verändern kann. Oder dass eine Million irgendetwas alleine verändern kann. Also dieser Netzwerkaspekt, ich glaube, der ist wirklich insofern total relevant, weil er einerseits natürlich die Hoffnungen dämpft. Wenn man sagt, es müssen schon irgendwie von diesen 8 Milliarden ein Großteil mitmachen.
Das ist schwer. Also man kann auch nicht alleine gegen das Netzwerk an. Und gleichzeitig gilt eben auch umgekehrt. Wir sind natürlich heute auch durch das Internet mit diesen 8 Milliarden viel stärker vernetzt als früher. Wir sind ja auf eine Weise heute vernetzt, was früher unvorstellbar war. Also diese Netzwerkdynamik, also auch die globale Netzwerkdynamik, ist sehr viel schneller geworden. Also früher hat man von dem, was irgendwie in China passiert, meistens überhaupt nichts mitbekommen. Und das war auch meistens relativ irrelevant.
Und heute, da gibt es Wirtschaftsverbindungen, es gibt sehr enge Verflechtungen. Leute reißen hin und her, die Unternehmen hängen global so eng zusammen, wie es noch nie zuvor war. Also ich will sagen, die Verflechtungen sind auch viel stärker. Und da entsteht eine Dynamik, die man als Einzelner natürlich überhaupt nicht kontrollieren kann, die man auch nicht übersehen kann. Wo man zumindest feststellen kann, dass so starke Wellen, die in das Netzwerk reingehen, die können auch einen Effekt haben. Und ich glaube, über Greta Thunberg muss man vielleicht in 50 Jahren nochmal reden.
Weil wir stecken da jetzt mittendrin. Wie lange ist das her? 4, 5 Jahre, dass sie das gemacht hat? Ich finde, für eine einzelne Schülerin, eine 16-jährige Schülerin, ist das enorm, was daraus entstanden ist. Natürlich kann man sagen, ja, das reicht ja noch nicht. Natürlich reicht es nicht. Aber da müssen jetzt auch andere mitmachen. Also da kommt es jetzt darauf an, entsteht daraus noch eine größere Bewegung. Und es ist ein bisschen wie, sie hat vielleicht zu der Kathedrale den ersten Stein gesetzt oder einen der ersten Steine.
Und jetzt stehen wir da und sagen, ja, aber das Ding ist ja noch nicht fertig. Jetzt bauen wir schon 5 Jahre und es ist immer noch nicht fertig. Ja, das ist bei Kathedralen manchmal so. Also ich glaube, man braucht da auch einfach, man muss so ein bisschen von sich selbst absehen, glaube ich. Das ist zumindest für mich extrem hilfreich, nicht alles von meiner begrenzten Warte aus zu betrachten. Hier ist die nächste Frage. Meine Frage ist, glauben Sie, dass die letzte Generation einen positiven Effekt haben wird auf diese Bewegung, die Frieda Thunberg begonnen hat? Und die zweite Frage ist dann, wie hilfreich ist unsere Demokratie und das Mehrheitsprinzip, solche Gesetze dann auch zu schaffen, dass die Bewegung größer werden kann? Ja, die letzte Frage habe ich nicht so ganz, das war jetzt nicht so ganz präzise.
Das war nicht präzise, das stimmt. Ja, zum Beispiel, ich nehme mal ganz konkret, wenn das Mehrheitsprinzip oder Demokratie nicht erreicht, zum Beispiel ein Tempolimit, dass der Verkehrsminister, das Ministerium ein Tempolimit beschließt, würde ich es schaffen, wenn ich das möchte, dass das beschlossen wird, dass ich damit anfange einfach langsam zu fahren auf der Autobahn mit noch einigen anderen Menschen, die meiner Meinung sind, nur angenommen, das ist mal ein Beispiel, würde das quasi dann funktionieren? Okay, also letzte Generation, ich glaube, das kann man auf verschiedenen Ebenen beurteilen, wie hilfreich sind die, wenn man sozusagen nur die Aktionen isoliert betrachtet und die Reaktionen der Bevölkerung, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass man sagt, das ist vielleicht eher kontraproduktiv, weil das die Leute aufbringt und weil es ganz viel Widerstand hervorruft und weil es vielleicht sogar der Sache eher schadet.
Wenn man allerdings das im größeren Rahmen betrachtet, dann kann man feststellen, es gibt eine große Ablehnung der Mehrheit gegenüber solchen Aktionen, aber damit einhergehend eine größere Zustimmung zu moderateren Forderungen. Also sozusagen, die verschieben das extrem nach da und dann sagt man, na gut, aber dann ist das ja noch so. Also insofern ist die Frage nicht so ganz leicht zu beantworten, weil da verschiedene Effekte gleichzeitig spielen und wenn man sozusagen nur sich die direkten Reaktionen anguckt, dann kommt man zu einem anderen Schluss wie wenn man diese, das ist wieder so ein bisschen, wenn man das Netzwerk, die Folgen, die Wellen im Netzwerk, da gibt es nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten und so.
Das ist nur eine Analyse, die findet man selten in Zeitungen, weil da wird es ja schon wieder kompliziert. Also insofern, ich habe große Sympathie für die Bewegung, weil, naja, können wir nachher nochmal, aber es geht ja jetzt hier sozusagen um die Effekte. Jetzt ist die Frage Demokratie, ja, also natürlich, wenn man sich anguckt, in welchem langsamen Tempo momentan diese Demokratie arbeitet, die Regierung, die ihre eigenen Beschlüsse dann wieder über den Haufen wirft und nicht einhält und sagt, ach nee, jetzt verschieben wir das Klimaziel doch nochmal um fünf Jahre, also da hat man natürlich, kann man gleich das Gefühl haben, also das ist das falsche System.
Die Frage ist, was die Alternative ist. Es gibt ja diesen schönen Satz, dass die Demokratie von allen schlechten politischen Systemen immer noch das Beste ist. Eine Diktatur oder irgendwie, das wäre auch keine Alternative. Also ich fürchte, es bleibt uns nichts anderes übrig, als diesen Weg zu gehen, immer mehr Leute zu gewinnen, aufzuklären, ein sich zu sorgen, also weil letztendlich die Parteien ja auch nur das vertreten, wovon sie das Gefühl haben, dass sie damit Wählerstimmen gewinnen. Also die sind ja sehr opportunistisch.
Ich habe mal unvergessen, da war der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bei uns in der Zeit, in der Redaktionskonferenz und wir haben über alle möglichen Themen diskutiert, ich weiß schon gar nicht mehr, um welchen Inhalt es ging, aber es ging da um eine heikle Frage, irgendwie Abgrenzung gegenüber rechts oder irgendwie sowas und dann habe ich irgendwann gesagt, Herr Schröder, was wäre denn für Sie die rote Linie, wo Sie sagen würden, also bis hierher gehe ich und da gehe ich nicht weiter, selbst wenn es mich Wählerstimmen kostet.
Und dann guckte mich Schröder ein und sagte, wissen Sie, ich glaube, es ist nicht die Aufgabe eines Politikers, Wählerstimmen zu verlieren. War auch eine interessante Antwort. Das heißt, wenn die das Gefühl haben, sie können da irgendwelche Wählerstimmen abfischen, dann macht man das. Aber umgekehrt, wenn dann plötzlich in der Bevölkerung doch eine Stimmung ist, die in eine andere Richtung geht, dann folgt da auch die Politik und ich glaube, wir sind gerade mitten in so einem Übergang und es ist noch nicht ausgemacht, in welche Richtung das geht.
Das ist ja so das Wesentliche von solchen Übergängen, dass man irgendwie das Gefühl hat, einerseits Hoffnungslosigkeit und gleichzeitig es bewegt sich, aber es bewegt sich zu langsam und so weiter. Aber ich glaube, das ist genau das, mit dem wir ringen müssen. Jeder kann das halt nur an der Stelle tun, an der er steht. Ich versuche das als Journalist mit Texten oder in Diskussionen und so weiter. Und andere tun das, sie tun das mit ihrem Festival. Wir tun das alle auf unsere Weise.
Und ich glaube, es ist total gut, sich miteinander zu vernetzen. Ich hatte mal mit einer, mit der Pressesprecherin von Fridays for Future in Hamburg, Annika Rittmann, eine sehr kluge junge Frau, geredet. Und die sagte, ja, das Problem ist natürlich Menschen gemacht, aber was ihr Hoffnung gibt, sind die Menschen. Und das fand ich irgendwie gut. Das fand ich ganz gut, weil sie sagte, ja, wir können es nur gemeinsam. Und zu sehen, dass wir dann da mit 100.000 auf der Straße stehen, das gibt ihr eine enorme Kraft.
Ich glaube, das ist das, wo wir einfach stehen. Und jetzt ist so ein bisschen die Frage, worauf fokussieren wir? Das ist jetzt hier die Frage mit den negativen Nachrichten. Also gucken wir auf die negativen Entwicklungen oder gucken wir auf die Dinge, die sich positiv entwickeln? Das ist so die Grundfrage. Wenn ich einen Schiffbruch habe, ich habe einen Schiffbruch und ich bin im Meer und habe da zwei Planken gefunden und bin da mit drei anderen Leuten, dann ist die Frage, was mache ich? Jammere ich über, dass das Schiff untergegangen ist oder sage ich, hey, ich habe immerhin zwei Planken gefunden? Das ist eine Wahl.
Ich würde sagen, hey, wir haben immerhin zwei Planken. Besser als nichts. Noch eine letzte Frage. Entschuldigung, die kam schon eher. Aber die Zeit ist schon fast vorbei. Ja, die ist vielleicht auch kurz zu beantworten. Das ist nochmal ein Themensprung. Vorhin, als wir über Netzwerke sprachen und über die Personen, die in meinem Umkreis, in dieser oder jener Gruppe gehören, habe ich komplett an persönliche Beziehungen gedacht. Ich bin ja auch in dem Alter. Und dann kam mir nachher nochmal die Frage, dass es ja auch diese Social Media und diese komplett digitale Vernetzung gibt.
Und da würde mich interessieren, ob sich das dann übertragen lässt, eins zu eins, diese Prinzipien und Netzwerkstrukturen oder ob da unter Umständen andere Mechanismen herrschen. Also zum Teil lässt sich das übertragen. Es gibt auch so ein paar Studien, die zeigen, dass auch im Digitalen solche Ansteckungseffekte stattfinden. Also gab es mal eine riesige Facebook-Studie, wo man bei einem ausgewählten Teil der Nutzer die Timeline bewusst so ein bisschen verändert hat, sodass die eher positive Nachrichten von ihren Freunden zu lesen bekamen und ein anderer Teil hat eher ein bisschen negativ gefärbtere Nachrichten zu lesen bekommen.
Und das Ergebnis war, die haben selber angefangen, auch positiver zu schreiben oder negativer zu schreiben. Das heißt ganz unbewusst natürlich. Aber da sieht man, dass diese Beeinflussungen natürlich im Digitalen genauso stattfinden. Gleichzeitig gibt es im Digitalen natürlich ein paar Eigenheiten. Also einerseits, es geht sehr viel schneller. Die Verbindungen sind oft weniger stark, wie wenn ich jemand direkt sehe. Und vor allem ist es im Digitalen ja sozusagen nur auf der mentalen Ebene. Also nur auf dieser rationalen Ebene.
Wenn man aber jemandem gegenüber sitzt oder steht, wenn man sich anguckt, dann passiert da so viel mehr noch. Im Körperlichen, in der Mimik, im Emotionalen. Also ich kriege von dem anderen Menschen ja auf ganz vielen Ebenen Informationen transportiert, die digital dann alle wegfallen. Ja, das merkt man dann im Unterschied zwischen einer Videokonferenz und einer echten Konferenz. Haben wir alle gemerkt in Corona. Wir haben natürlich in der Zeitung auch ganz viele Videokonferenzen gemacht. Und das Interessante ist, dass das für so rein rationale Absprachen sehr gut funktioniert.
Aber es funktioniert sehr schlecht, wenn man kreative Ideen entwickeln will. Das geht, wenn man zusammensitzt, sehr viel besser, weil da dann ganz viele andere Informationen noch transportiert werden. Man sitzt da mit vier Leuten und der eine sagt was und man sieht an dessen Gesichtsausdruck, oh, der will da eigentlich was dazu sagen, traut sich aber nicht. Da sagt man, hey, ich sehe dir doch an, du willst da drauf antworten. Im Digitalen würde das nicht passieren. Da hätte man nicht diese Verbindung.
Und ich glaube, das sollte man nicht unterschätzen, dass so reale Begegnungen, die haben doch mal eine ganz andere. Da passiert was eben auf sehr viel mehr Ebenen. Und deswegen finde ich auch solche Veranstaltungen hier total wichtig und inspirierend. Und es ist was anderes, wenn man hier zusammensitzt und steht und wenn man es nur digital. Also das jetzt leider. Sorry für die Leute, die am Bildschirm sind. Ihr verpasst was, aber es ist trotzdem super, dass sie mit dabei sind.
Weil gleichzeitig gebt ihr uns natürlich das Gefühl, wir haben noch ein viel größeres Netzwerk hinter uns. Da sitzen noch drei Millionen Leute am Bildschirm. Also hat alles so seine Vor- und Nachteile, weil natürlich ist das eine super Möglichkeit für Leute, die jetzt vielleicht nicht in Dresden sind oder die irgendwie weiter weg sind, auch teilzunehmen. Also ich will das gar nicht gegeneinander ausspielen. Man muss nur wissen, was sind sozusagen die Vorteile vom einen und vom anderen. Ja, ein schönes Schlusswort, was ich gerne annehme für unsere Veranstaltung.
Genau, also nochmal vielen Dank an Sie für den tollen Beitrag und die Antworten auf die vielen Fragen. Vielen Dank an Euch für die Fragen, für die spannenden. Ich hätte auch noch ganz viele gehabt, aber ich habe mir jetzt den Raum einfach nicht genommen. Und genau, ich würde Sie herzlich einladen oder Euch vielleicht nochmal ins Gespräch zu kommen. Draußen haben wir auch noch ein kleines Catering vorbereitet. Das holt man sich dann am Café Tutti direkt, an der Ausgabe ab.
Genau, da gibt es noch Suppe und was zu essen, Brot. Genau, Getränke kann man noch erwerben. Und genau, kommen Sie ins Gespräch. Vielleicht kommen wir heute auch nicht mehr weg aus Dresden. Nee, nee, nee. So ist das mit dem realen Anwesensein. Ein paar guten Rede und Antwort zu stehen vielleicht im Gespräch. Also ich bin da, wenn jemand gerne irgendwas, ich freue mich über das Gespräch. Und ich wollte mich jetzt aber zum Abschluss nochmal bei Euch bedanken, weil ohne Euch die Veranstaltung ja nicht stattfinden könnte.
Also wenn ich hier alleine stehen würde, das wäre was anderes. Also insofern seid es ja letztendlich Ihr, die diese Veranstaltung möglich gemacht haben und deswegen danke ich Euch sehr fürs Kommen, für Eure Zeit, für Eure Energie, fürs Zuhören und für Eure Ideen. Vielen Dank. Vielen, vielen Dank Ulrich Schnabel. So funktioniert Gemeinsam und es ist ja so, wir freuen uns immer und sind gern zusammen, wenn genau so ein Impuls kommt, wie der von Ihnen. Ich möchte mich bedanken mit ein bisschen Lektüre übers Haus und mit einem besonderen Glas.
Und es ist vielleicht auch noch eine schöne kleine Anekdote zum Thema Gemeinsam und Gemeinschaft. Als wir hier 2017 ins Haus eingezogen sind, kam eine Person, nämlich ein Bauleiter zu mir und sagte, ich hätte ein Angebot. Ich habe ein Bienenvolk. Könntest Du das adoptieren? Und man kriegt viele Angebote in der Bibliothek, aber das war ein ganz besonderes. Und wir haben Ja gesagt zu einem Gebiet, was nicht zu einer Bibliothek gehört. Ich dachte, die leben da hinten irgendwo.
Nein, wir haben auf dem Balkon in der Zentralbibliothek jetzt sieben Bienenvölker. Wir haben uns vernetzt mit dem Stadt-Imker-Verein, weil wir da eben nicht so firm waren. Und das ist eigentlich auch nie in unserer Stellenbeschreibung drin. Und wir lernen ganz viel. Wir sind mittendrin statt nur dabei. Und jedes Jahr gibt es Ernte in Form von Bienenhonig. Und für Sie in Klaas bleiben Sie gesund. Das ist eine Inspiration. Und ich sage Ihnen, wir sind nicht alleine. In den ersten zwei Jahren habe ich Ihnen gesagt, wir sind die einzige Zentralbibliothek in Deutschland, die Bienenhonig hat.
Nein, wir sind es nicht mehr. Und das ist eine positive Nachricht, weil es ganz, ganz viele Bibliotheken gibt, die nachgezogen sind. Auch noch nicht in der Zeitung steht wahrscheinlich. Nein, in Ihrer. Und wo es Wochenzeitung ist, steht ja noch nicht drin. Aber da können wir jetzt mal beim Getränk darüber reden. Vielen, vielen Dank. Und gleich ist bitte Sif an. Und Christian kommt noch mal vor. Ich hätte beides gerne noch an Euch weitergegeben, weil Ihr braucht jetzt Kraft für die nächsten Tage.
Und herzlichen Dank. Das passt wahnsinnig gut. Das passt natürlich auch deshalb gut, weil Honig ist ja auch so ein wahnsinniges Gemeinschaftswerk der Bienen. Was kann eine einzelne Biene schon erreichen? Achso, genau, hier, alle mit dem Honig.