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Richard Timbert, an alumni of the Leipzig Institute of Musicology, discusses his current work as a music archivist at the Lippmann and Rauh Music Archive in Eisenach. He and his colleague are responsible for cataloging the archive's collections, which focus on pop music history in East and West Germany. They work with a text-based archive program called Augias to describe and document the materials, which include letters, photos, and recordings. They also collaborate with the Thuringian University and State Library to digitize and make certain materials available online. Researchers and filmmakers are among the main users of the archive. Richard initially wanted to become a music journalist but later decided to pursue musicology due to the challenges of the journalism industry. He chose to study in Leipzig and eventually developed an interest in academic research. Musikwissenschaft. Und jetzt, in dieser Rubrik des KITO-Podcasts, sprechen wir mit Alumni unseres Instituts über ihren beruflichen Werdegang. Mein Name ist Melanie Brunner und ich heiße euch herzlich willkommen zur neuen Folge unseres Podcasts. Mein heutiger Gast ist Richard Timbert. Er hat von 2013 bis 2020 am Institut für Musikwissenschaft in Leipzig sowohl den Bachelor als auch den Master Musikwissenschaft studiert. Zusätzlich hat er von 2021 bis 2023 an der HTWK, also der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, einen zweiten Masterstudiengang, nämlich Bibliotheks- und Informationswissenschaft, absolviert. Heute arbeitet Richard Timbert als Musikarchiver im Lippmann und Rauh Musikarchiv in Eisenach. Schön, dass du heute zu Gast bist, Richard. Sehr schön, ich freue mich auch. Wie sieht denn dein derzeitiger Arbeitsalltag aus? Könntest du am Anfang vielleicht ein bisschen deine derzeitige Tätigkeit beschreiben, vielleicht auch das Besondere an deinem Arbeitgeber? Was genau machst du im Lippmann und Rauh Musikarchiv in Eisenach? Was sind deine Aufgaben als Musikarchiver? Ja, so quasi eine Blaupause für einen typischen Arbeitsalltag kann ich gar nicht so wirklich geben, weil, und die Frage kriege ich sowieso oft gestellt, was macht man da den ganzen Tag? Es ist nicht so leicht zu beantworten. Ich kann das gleich mal umreißen. Ich muss im Vorfeld sagen, ich wurde gemeinsam mit meinem jetzigen Arbeitskollegen Simon Britschneider im Frühling 2022 angestellt, um dort zum ersten Mal wirklich den Bestand zu katalogisieren. Man hat ja oft den Eindruck, dass Archive bereits einen Katalog haben, aber wir kamen da wirklich an und das Archiv war da, aber man konnte noch nicht genau herausfinden, was da eigentlich drin war. Und das war quasi unsere erste Aufgabe und ist es bis heute. Dazu würde ich nochmal sagen, die Stelle ist vom Land Thüringen finanziert. Die Staatskanzlei Thüringen gibt auch Geld für Kultur aus und da wurde erst mal ein Topf an einer Vollzeitstelle für einen Archivaren finanziert. Bei den Bewerbungsgesprächen war es anfangs schon so, dass die Arbeitgeber sich nicht zwischen mir und meinem jetzigen Kollegen entscheiden konnten und mein Kollege hat das irgendwie gemerkt und hat die angerufen und hat gemeint, ich merke doch, ihr könnt euch nicht so gut entscheiden, kann man daraus vielleicht zwei halbe Stellen machen. Und ja, das hat funktioniert. Das passt auch dementsprechend, weil das Lippmann & Trau Musikarchiv eines der wenigen Popmusikarchive in Deutschland ist und unser Anspruch ist der, dass wir Popularmusikgeschichte in der DDR und in der BRD wiedergeben. Also vor allen Dingen, wie das mit Livemusik war. Lippmann & Trau selber war die Konzertagentur im Westen zwischen den 60er und 80er, 90er Jahren und dazu haben wir auch mit dem Bestand des Eisenacher Jazzclubs und mit ganz ganz vielen anderen DDR Jazzclubs sehr dafür die DDR Jazzgeschichte. Ich bin an sich mehr fokussiert auf Blues und Folk, vor allen Dingen in den USA, aber was ich damit sagen möchte, quasi viel Bessie Musik und mein Kollege hat seinen Doktor geschrieben über Tanzmusik in der DDR, vor allen Dingen in Dresden und darum teilen wir uns auch die Aufgabenfelder so auf. Das Archiv befindet sich in einer alten Wälzerei und beherbergt ungefähr 2.000 laufende Meter, so rechnet man in der Archivwelt Bestände. Das ist richtig viel, das ist so viel wie das katholische Landesmusikarchiv und das war quasi die Basis von Lippmann & Trau. Wir arbeiten mit einem Archivprogramm, das Augias heißt und Augias funktioniert meistens eben textbasiert. Also was wir machen ist, wir versuchen, das ist so schön formuliert mit dem Begriff tektonisch, erstmal zu gucken, wie sind ganz ganz ganz groben die Sammlungen, die wir haben aufgestellt, wie können wir die beschreiben und dann wie kann man die einzelnen Untersammlungen beschreiben und wie kann man die einzelnen Archivalien beschreiben. Das geht natürlich am besten, weil es eben textbasiert ist mit sogenannter Flachware, also Briefen zum Beispiel und mit Fotos und ein bisschen schlechter mit Tonträgern. Also es ist nicht so einfach, aber was wir machen ist, dass wir diese Flachware erstmal eingeben. Viele denken auch, wir würden viel digitalisieren, das ist natürlich ein großes Feld. Da haben wir einen Partner an der Hand, das ist die thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Kurz-Tulp in Jena, an die wir zum Beispiel Poster zum Digitalisieren schicken können und da müssen wir quasi viel einfach händisch durchschauen, eingeben und währenddessen auch ständig recherchieren. Da muss man einfach nachgucken, wer war das und welchen Zusammenhang stand dieser Mensch jetzt mit dem Sammlungsgeber zum Beispiel, um die Sachen einordnen zu können. Zum Beispiel haben wir die Nachschrift von Fritz Frauda, ein ganz legendärer Konzertschalter, der 2013 verstorben ist und der hat ein Trinkhorn bei sich in der Sammlung, der hat ein Glas Diamanten bei sich in der Sammlung, kommt raus, da sind meistens Geschenke, zum Beispiel der Diamant ist von Ledein. Also Künstler haben ihnen auch meistens nach erfolgreichen Touren solche Geschenke gemacht, das muss man halt eben irgendwie wissen. Da ist halt dann so eine ganz klassische Hands-on-Arbeit und Forschungsarbeit nah beieinander. Die andere Seite ist Bibliotheksrecht, Persönlichkeitsrecht, Miturheberrecht, was kann man eigentlich digitalisieren und online stellen? Und da bin ich zum Beispiel mit vielen Rechtnachfolger, Nachfahren und Künstlern und Künstlerinnen selber, wie zum Beispiel Fotografen und Fotografinnen. Da haben wir auch eine ganze Menge, um zu gucken, kriegen wir da irgendwie Rechte für ein ganzes Werk, für einzelne Fotos, dass wir die digitalisieren und online stellen können, weil normalerweise die Hochschule Sachen nur digitalisiert, wenn sie sie auch online stellen kann. Wer sind denn die Hauptnutzer eures Tees? Wir haben tatsächlich viele Anfragen von Forschenden von Hochschulen. Wir hatten zum Beispiel eine Nutzerin, die Elisabeth Uvoa hieß, die aus Kalifornien kommt und gerade ein Buch schreibt, ein Sachbuch über das American Folk Blues Festival, ein ganz bekanntes Blues Festival von Lippmann und Trauch, organisiert, die aus Kalifornien extra angereist ist. Wir hatten eine Doktoranden von der Uni Kassel. Wir haben aber auch Filmemacher da, die nach Fotomaterial fragen, oft nach Filmmaterial. Wir haben aber sehr wenig Filmmaterial. Das sind die zwei größten Nutzergruppen. Wenn einer einfach durch Eisen nachstreift und quasi als ein normaler Bürger rein spaziert, dann meistens einfach nur, weil er gerade in der Gegend war. Wir sind natürlich offen für alle, aber die meisten sind dann wirklich selber Vorschaufilmmacher, Journalisten. Jetzt möchte ich gerne einen großen, zeitlichen Sprung zurück machen zu der Zeit, bevor du angefangen hast zu studieren. Wie kam es überhaupt dazu, dass du Musikwissenschaft studieren wolltest und warum eigentlich in Leipzig? Ich war seit meiner Schulzeit an Musik interessiert, wie es eben viele sind, und dachte mir, ich will irgendwie mal was arbeiten, ich muss jetzt nicht Musik machen, um damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber das hat was mit Musik zu tun haben. Also wollte ich lange Zeit Musikjournalist werden. Ich habe mich mit ein paar Leuten unterhalten, die selber in dem Bereich arbeiten. Da hieß es immer, man macht entweder in dieser Springer Akademie eine Ausbildung, oder man studiert, was in die Richtung geht, was man schreiben möchte, und dann steigt man da irgendwie ein. Also kam ich so an die Musikwissenschaft. Ich habe mir auch vorher gedacht, ich werde vielleicht mal Gitarrist oder so. Ich mache selber auch Musik und gehe an die Musikhochschule, aber da dachte ich mir, so passt es dann halt irgendwie auch nicht. Da verrate ich auch vielen, wenn sie mich fragen, du machst ja was ganz Spezielles, wie kommt man denn da eigentlich hin? Ich war am Ende wirklich bei einer Beratungsstunde in der örtlichen Musikschule, und da habe ich mich einfach beraten lassen. Dann habe ich eigentlich am Ende des Tages, von denen nur die Info bekommen, Musikhochschule an sich ist einfach sehr schwer und sehr viel, und da muss man schon wirklich was drauf haben und auch vor allem klassische Musik hören. Ich war immer schon eigentlich mehr an Popmusik interessiert, und dann habe ich einfach die Beraterin selber gefragt, was sie denn studiert hat, und das war Musikwissenschaft. So habe ich das zum ersten Mal überhaupt im Alter von 17 oder 18 Musikwissenschaft gehört, und das war einfach nur so ein kleiner Sprungbrett. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass der Journalismus auch eine richtig wackelige Angelegenheit ist, und ich bin so ein bisschen mit dem Journalismus noch der 90er-Jahre groß geworden. Das war einfach noch eine ganz andere Welt. Also dann kam ja irgendwann das Internet, und dann wurde es halt auch richtig schwer. Ich dachte, das wird so voll chillig. Da kann ich den ganzen Tag da sitzen und Alben rezensieren und kriege halt immer irgendwas kostenlos zugeschickt und mache einfach nix und schreibe Texte und so. Alles irgendwie so schön. Aber das sah dann ganz anders aus. Dann habe ich nach meinem Abitur in einem Journalistenbüro in Köln auch ein Praktikum gemacht für zwei Monate, und das war auch am Ende nicht so ganz meine Welt. Das war einfach so ein bisschen sehr auf Zack-Zack und stressig, und dann habe ich mich im Laufe des Studiums immer mehr in Richtung Wissenschaft orientiert und wollte erst mal da quasi einen Doktor machen in dem Feld und habe da auch Ambitionen gehabt und fand das dann so irgendwie ziemlich cool. Ich habe mich nach meinem Abitur, nachdem ich erst mal ein Jahr lang Praktikum gemacht habe und mal mich orientieren musste, habe ich mich einfach bei ganz vielen Unis beworben in Deutschland, vielleicht so sieben Stück, und ich weiß noch, ich war bei der Einigungsprüfung in Bremen, da bin ich dann durchgefallen, und da hieß es schon, also, hei, hei, hei, und wenn Sie dann nach Leipzig kommen, das ist dann noch viel schwerer, war aber schon in Leipzig angemeldet bei der Prüfung, und in Leipzig habe ich die Prüfung dann auch einigermaßen locker bestanden, habe dann noch im Vorfeld noch viel dazugelernt, und weil Leipzig auch eigentlich bei allen Hochschulen, bei denen ich vorher zumindest bei der Prüfung war, immer gehypt wurde als die Stadt für die Musikwissenschaft. Ich kannte hier zwar einen Menschen, aber ich hatte auch sonst keine großen Verbindungen zu Leipzig, bin ich einfach so ein bisschen reingerutscht irgendwie. Mehr auf Empfehlung. Mehr auf Empfehlung, genau. Gab es während des Studiums der Musikwissenschaft, egal ob das jetzt der Bachelor oder der Master war, irgendwelche Schwerpunkte, bestimmte Module oder Tätigkeiten, die aus der Rückschau betrachtet zu deiner heutigen Tätigkeit geführt haben? Ich glaube, ich hatte immer so ein bisschen das Gefühl, dass die Popularmusikforschung in Leipzig keinen so hohen Stellenwert hatte, wie ich es gerne hätte. Da musste ich mich dann immer an die Musiksystematik wenden. Mein Ansatz ist ja prinzipiell der, dass ich in meinen Forschungen Musik historisch arbeite, aber Popularmusik, ja, historisch. Und da es ja diese bösinnige Trennung gibt zwischen Popularmusikforschung ist immer systematisch und historische Musikwissenschaft ist halt immer irgendwie Romantik, Klassik, Barock und so, war das halt nie so wirklich möglich. Ich fand immer die Musikpsychologie-Vorlesung zum Beispiel interessant, obwohl es ja auch nicht das ist, was ich jetzt mache, und habe so ein allumfassendes Verständnis für Musik bekommen, wie man über Musik spricht. Also ich sage immer, dass das Musikwissenschaftsstudium einem eigentlich nur einen richtig, wirklich wichtigen Skill gibt und der ist, dass man sich problemlos in Musik reinhören kann, die einem auf den ersten Blick eigentlich gar nicht schmeckt. Das ist ja was, das man normalerweise niemals machen muss. Also Musik ist ja ein Genussmittel, dass man, wenn es einem gefällt, weiter konsumiert und wenn nicht, dann halt eben nicht. Das ist nicht so wie beim Essen, dass einem als Kind Brokkoli nicht schmeckt, man aber irgendwann lernt, man braucht es aber irgendwie, sondern halt, dass Musik ja immer irgendwie so was ist, was man einfach immer gerne macht. Und dieses auch mal irgendwie eine Hausarbeit schreiben über ein Stück, was man jetzt gar nicht mag, das hilft einem da schon sehr. Und ich glaube, das habe ich da so ein bisschen gelernt. Also meine wirklich wichtigen Kompetenzen, die ich für den Job gelernt habe, den ich jetzt habe, habe ich eigentlich auf ganz vielen anderen Wegen gelernt. Aber das Musikwissenschaftsstudium, das war halt eher so der Rahmen und dann die wirklichen Dinge, die es ausfüllen, die kamen dann quasi erst später nebenbei. Würdest du sagen, dass das Studium an der HTWK sehr wichtig war für den Job, den du jetzt machst? Ja, prinzipiell war es wichtiger, aber am Ende des Tages auch meistens für den Abschluss, den man dann halt eben hat. In Deutschland zählen Abschlüsse halt leider sehr, sehr viel. Ich glaube, dass ich am Ende an der HTWK mehr für einen Bibliotheksjob ausgebildet worden bin, weniger für einen Archivjob, auch wenn ich dort die Profillinien Musikbibliotheken gewählt habe. Ich habe halt eben nicht die Profillinien Musikarchive gewählt, die gab es auch gar nicht. Und ich glaube, dass halt wirklich wichtige Dinge, die ich im Studium an der HTWK gelernt habe, die Bachelor-Module sind, die ich da trotzdem weitergelegt habe, sowas wie Formalerschließung. Aber ich glaube, dass viele Dinge auch so im Bereich von elektronischer Datenverarbeitung zum Beispiel auch an der HTWK nicht unbedingt gelehrt werden. Am Ende macht aber einfach die Mischung. Das heißt, könnte jemand ohne dieses Zweitstudium, was du absolviert hast, aus der Musikwissenschaft auch als Musikarchiver arbeiten oder ist das schwierig? Das geht auf jeden Fall. Also mein Kollege zum Beispiel hat ja auch sein privates Archiv, auch bei sich in Dresden, hat aber quasi in Anführungszeichen nur Musikwissenschaftsstudien studiert. Und es kommt dann immer darauf an, wie man sich so im Gespräch gibt, was man an sich für andere Skills vorzeigen kann auch im Anschreiben. Das Ding ist, dass Arbeit im Archiv nicht standardisiert ist. Es gibt bis heute keinen Archivstandard in Deutschland. Den gab es witzigerweise in der DDR, den gab es danach nicht mehr. Und in Bibliotheken sieht das ganz anders aus. In Bibliotheken arbeitet man viel stromlinienförmiger, weil man da auch einfach mit mehr Nutzern zu tun hat, wenn da jetzt ein Buch flöten geht zum Beispiel, haben die einen ganz festen Workflow, wie die das im Katalog vermerken, wie sie sich ein neues Buch beschaffen und sowas, weil es kommt da einfach öfter vor. Während in Archiven die Arbeit so individuell ist, weil die Archivgüter auch individuell sind, also die haben auch oft ihre eigenen Signaturen, die haben eigene Arbeitsweisen, wie sie mit welchen Archivarien umgehen. Und so werden Archive auch sehr leicht zu indeln, weil die in sich funktionieren, aber dann in der Vermetzung quasi ein bisschen hapern, während Bibliotheken sehr, sehr gut vernetzt sind. Bibliothek, das geht nur mit der Musikwissenschaft zum Beispiel nicht, das habe ich auch versucht. Als wissenschaftlicher Bibliothekar muss man sich zum Beispiel im Normalfall erstmal einem Volontariat unterziehen und da sind die Bewerbungschancen einfach schlecht. Also das habe ich versucht und da hieß es, das können Sie gerne machen, aber von den 400, die sich bewerben haben, sagen wir 50 bei einem DOS-Artikel. Der normale Weg eines wissenschaftlichen Bibliothekars ist der Bachelorstudium, Masterstudium, Doktor, dann Volontariat, das wird ungefähr so gut bezahlt wie eine Ausbildung und dann kann man da anfangen. Also da am besten, wenn man das machen möchte, auch Bibliothekswissenschaften studieren und Archiv. Sehr viele verschiedene Skills ansammeln und sich an sich sehr ausweiten. Für viele Studierende ist sicher auch interessant zu erfahren, wie das bei dir war, aus dem Studium heraus in den Job zu kommen. Gab es da irgendwelche Hürden oder gab es auch irgendwelche Hilfen, zum Beispiel bestimmte Praktika? Das war bei mir eine recht holprige, aber auch spannende Geschichte. Ich habe mich, als der Master sich schon langsam dem Ende zugeneigt hat, natürlich auf viele Stellen beworben. Da ist erstmal nichts draus geworden. Aber um der Sache nochmal einen Rahmen zu geben, ich habe 2018 im Frühling angefangen, im Musikinstrumentenmuseum zu arbeiten. Also ich habe mein Studium mit DAföG finanziert und habe dann zwischen Bachelor und Master mal kurz in der Eisdiele gejobbt. Da haben die mich jetzt DAföG abgedreht, weil da habe ich ja nicht mehr wirklich studiert. Und habe dann 2018 begonnen, im Musikinstrumentenmuseum zu arbeiten. Da gab es gerade ein großes Projekt von BMWF finanziert, das Tasten hieß. Da haben wir Notenrollen digitalisiert. Die hatten da 3200 von diesen Rollen. Sehr spannend. Das war auch eine Kombinationsaufgabe der Musikwissenschaft und der Informatik. Das waren ja quasi Urlochkartenmaschinen und das hat somit gut funktioniert. Und man kann mit einem Scan, kann man sich bestimmt gut vorstellen, eine Notenrolle gut digitalisieren. Und da haben die Leute gebraucht. Da habe ich dann zweieinhalb Jahre gearbeitet. Bei dieser Arbeit habe ich auffallend wenig Führungen gegeben, museumspädagogisch gearbeitet. Aber ich habe da meine Liebe zur Datenbankarbeit entdeckt. Herr Forth hat damals die Datenbank Music Explorer erschaffen, die ein Ableger vom BMLO ist. Und ich fand diese Arbeit sehr spannend, weil es da halt irgendwie um so Elemente geht, die man ganz easy in den Datensatz eintragen kann. Am Ende schmuckte ja der Informatiker da eine total coole Übersicht aus. Also ich habe da zum Beispiel eine kleine Datenbank erstellt zu Countrymusikern. Oder im Rahmen meiner Masterarbeit, die habe ich geschrieben über deutschen Banjo-Bau bis 1933. Und wie das Banjo auch bis diese Zeit gesehen wurde quasi, was die kulturelle Konzentration war. Und bei Banjo-Bauern zum Beispiel, da kam halt eben raus, dass es großteils Männer sind, aber halt eben auch viele Gitarristen. Und da kann man halt Dinge, die man sich vorher erahnt, da schon sehen. Und dann habe ich halt da irgendwie noch sehr vieles gelernt. Dann habe ich noch in dem Rahmen kurz für das Weed-Projekt gearbeitet, wo wir mit einer AI Fotografien aus dem Museum in Volltext umwandeln können. Also wenn wir sagen, wir haben eine Fotografie von einem Geigenzettel, gucken wir da mal den ganzen Text aus. Und natürlich hatte ich damals gar keine Ahnung von solchen Geschichten. Aber man arbeitet sich halt eben rein. Das ist auch, was ich immer sage, jeder kleinste Schritt in eine gute Richtung ist ein guter Schritt. Und da muss man sich nicht dafür schämen, dass man irgendwelche Programmierkenntnisse nicht hat oder sowas. Hauptsache man arbeitet sich irgendwie dran. Und wenn es halt auch nur ein bisschen ist, das wird immer dir irgendwie einen Vorteil bringen. Dazu habe ich auch noch als Nebenjob in einer IT-Firma in Leipzig angefangen. Da hat mir ein Kommilitone den Tipp gegeben. Und das ist eine Firma, die auch sowas macht, nämlich Texterkennung für Großkunden, also Versicherungen. Sich die Allianz möchte irgendwie ihre Briefe digitalisieren, schreibt mir mal ein Programm, das von selber eine Versicherungsnummer, Vorname, Nachname, Straßenname erkennt. Und da war ich quasi ein sogenannter Datenkurator, der nicht coden muss und sowas, der einfach nur auf die Dokumente guckt und was das Ding ausspuckt und dann die Fehler berichtigt. Und dann wird man da schon so rangeführt. Also hatte ich diese beiden Jobs und habe dann mein Masterstudium beendet. Mit dem Masterstudium endete auch mein Job im Musikinstrumentenmuseum. Und dann habe ich mich einfach beworben und beworben und beworben. Und ich habe jetzt heute mal auf meinen Rechner geguckt und ich habe 100 Bewerbungen drauf, aber ich habe ja auch oft natürlich Bewerbungen gelöscht oder verschoben. Also ich würde sagen, an die 200 Bewerbungen habe ich schon geschrieben. Und das muss man, glaube ich, auch sagen, weil das ist halt eben der Teil in der Biografie, den die meisten halt eben nicht sagen. Ich bin halt wieder durch die Lande gereist. Ich bin mit dem ICE nach Bremerhaven, nach Witzenhausen, nach Hamburg. Und das war halt einfach eine stressige Zeit. Da muss man einfach viel lernen, viel sich für die jeweiligen Institutionen informieren. Ich war zum Beispiel an der Musikhochschule Hamburg für die Hochschulbibliothek und da haben die Bibliothekanen gesucht. Da muss man sich natürlich erst mal informieren, was ist das eigentlich für ein Haus und sowas. Ja, da muss man einfach dranbleiben. Also kam ich da quasi auf keinen wirklich grünen Zweig und habe dann angefangen, erst quasi Bibliothekswissenschaften zu studieren. Und dann hat sich auch einfach meine Welt noch so ein bisschen geöffnet. Also ich habe da andere Musikbibliothekare kennengelernt und dann war ich natürlich einer, der im Bereich der Bibliotheks- und Archivwelt einfach wenig drauf hatte, aber dafür in der Musikwelt einigermaßen viel wusste. Also das war so ein Ungleichgewicht, das dabei auch eigentlich ganz gerne gesehen wurde, weil ich dann da auch viel lernen konnte und ich konnte meinem Kommilitonen einfach sehr viel noch beibringen. Was auch für mich ein sehr wichtiger Punkt war, ist, dass ich seit 2019 Mitglied der GFPM bin, der Gesellschaft für Popularmusikforschung. Da bin ich viel zu spät draufgekommen, das hätte ich viel früher machen sollen. Das ist ein Netzwerk und eine Gesellschaft eben, die ein eigenes Magazin hat, die einen E-Mail-Verteiler haben bei freien Stellen und die einen da einfach in vielerlei Hinsicht unter die Arme greifen kann. Das ist vor allen Dingen als Studie auch ganz easy, das ist ziemlich günstig. Also das kann ich jedem nur raten, findet euch eine Gesellschaft, die irgendwie in das Thema passt, was ihr gerne machen wollt und das ist für euch eine ganz große Hilfe. Hast du irgendwelche Pläne mittelfristiger oder langfristiger Art? Ja, also natürlich schwebt das Thema Doktorarbeit immer im Raum. Wir haben im Lippmann und Trau-Archiv die Musikhochschule Weimar an unserer Seite und der Professor Martin Fleiderer ist da unser wissenschaftlicher Berater und da hätte ich natürlich eine Möglichkeit, sowas anzuleiern. Ich habe auch schon ein spannendes Thema, ich würde gerne was dazu machen, wie Konzertagenturen historisch gearbeitet haben, da gibt es noch kaum Literatur. Also wenn man Bandmanagement studiert, da geht es eigentlich eher darum, in seinem Arbeitsfeld jetzt gute Arbeit zu machen und die eigene Geschichte wird nicht so gut aufgearbeitet und da würde ich gerne was zu schreiben. Aber eigentlich sind meine Pläne viel basaler. Ich würde zum Beispiel jetzt gerne lernen, wie man Tonbänder digitalisiert. Das ist was, das wird einem natürlich im Studium nicht beigebracht, aber ist in dem Job, den ich jetzt mache, einfach sehr wichtig. Wir haben einige Bandmaschinen da und ich habe auch schon ein paar Bänder eingehangen, aber die sind alle im Normalfall sehr unterschiedlich und da will ich einfach mal zu Leuten fahren, die das können und das einfach ein paar Tage lang lernen. Es gibt auch einen Kurs, es gibt eine Archivschule in Marburg, wo man für 450 Euro sowas lernen kann. Da kann ich schauen, ob vielleicht die Musikhochschule Weimar mir das bezahlt und an sich meine Kompetenzen ausweiten in allen Bereichen. Mehr lernen über Schellack, mehr lernen über Papier, Chemie zum Beispiel und auch ganz einfach mehr Kolleginnen und Kollegen besuchen. Ich bin Rheinländer und letzten Weihnachten war ich zum Beispiel im Musikarchiv NRW, das ist in Köln und der Matthias Schumacher, der das macht, der hat ein ganz tolles Archiv, ist auch selbst Tonmeister, kann auch Tonbänder gut digitalisieren zum Beispiel und das hilft immer. Wenn ich in irgendeiner Stadt bin, in Berlin ist das Archiv für Jugendkultur zum Beispiel, in Freiburg ist das ZPKM, das Zentrum für Populäre Kultur und Musik. In Bremen ist das Tauß-Kunkel-Archiv, also es gibt überall Kollegen und da ist die Vernetzung einfach extrem wichtig. Es gibt auch ein Archiv-Netzwerk Pop, wo wir alle sowieso schon drin sind und wir sehen uns auch öfter, aber das ist wichtiger als eine Bibliothek noch, dass man da einfach sich austauscht und das will ich noch weiter vertiefen. Und ich habe natürlich großes Interesse daran, dass ich an sich mal so ein bisschen Leuten, die sich interessieren, was man mit der Musikwissenschaft so anstellen kann, mehr erzähle, wie es so klappt. Also zum Archivjob habe ich noch sehr viel zu sagen und das würde ich gerne ausweiten. Vielen Dank, dass du uns so viel erzählt hast über deinen Job, über deinen Werdegang. Es war wirklich sehr, sehr interessant und ich wünsche dir alles Gute und vielen Dank auch an alle, die zugehört haben und bis zur nächsten Folge von KITO. Danke sehr.

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