The speaker, Martin Skoda, is excited to present the 11th Sega report from September 10, 2024. He discusses the importance of creating a safe space for creative individuals to freely exchange ideas and support each other. He mentions meeting E., who is about to complete a film workshop, and discusses the powerful impact of a movie they watched together. Skoda also talks about his job as an assistant and caregiver for two physically disabled young men, and how their resilience inspires him. He emphasizes the need for diversification in the acting industry and the importance of collaboration and sharing in creating positive change. Skoda mentions the inclusive disco event happening at the same time and the value of workshops in providing structure and growth opportunities. He also touches on the challenges of writing and the benefits of sharing work with others. Skoda concludes by inviting listeners to share their own contributions and ideas and expresses his hope for future collaboratio
Um alles kämpfen zu müssen, sei es im Behindertengereich oder in der Kunstausübung, kann Nürbe machen. Oder aber auch stark. Ja, hallo, hallo, hallo. Hier ist wieder euer Martin Skoda und ich freue mich ganz herzlich, sagt man das so, ich freue mich ganz herzlich, euch wieder ein Sega-Protokoll präsentieren zu dürfen, nämlich von der 11. Sega vom 10. September 2024 im Mosaik in Lüneburg. Und ich habe das Protokoll auch Flecken auf meinem Hemd genannt. Die Auflösung für diesen etwas ungewöhnlichen Titel erfahrt ihr am Ende des Textes, der diesmal nicht so lang ist.
Ich will nicht aufhören zu träumen, sage ich irgendwann inmitten der Sega Nummer 11, als ich wieder einmal beschreibe, worum es mir in der Sega geht. Einen sicheren Gesprächsrahmen entwickeln, in dem sich Kreative zweckungebunden austauschen können. Wenn ein Schauspieler einen Regisseur trifft, dann möchte er oder sie früher oder später einen Job von ihm oder ihr. Das gleiche gilt für CasterInnen, Dramaturginnen, ProduzentInnen, IntendantInnen. Wo haben wir mal einen Raum, wo wir über Kunst sprechen können? Einen Ort, wo wir unsere Ziele, Wünsche aussprechen können und unsere Zweifel formulieren, wie wir diese erreichen? Meine ideale Sega-Gemeinschaft wäre diejenige, welche sich auf der Suche nach dem jeweiligen besten Selbstausdruck gegenseitig unterstützt.
Das braucht natürlich Zeit und das braucht Vertrauen. In diesem Sinne bin ich froh, dass E. an diesem Abend kommt, um genau das zu unterstützen, weil sie es für Lüneburger SchauspielkünstlerInnen als wertvoll erachtet, genau das zu etablieren. E., welche kurz davor steht, den Workshop für den Film zu absolvieren, habe ich erst ein paar Tage vorher im Lüneburger Skala-Kino getroffen, wo drei SegantInnen zufällig gemeinsam Andreas Dresens Liebesfilm, altmodischer Ausdruck, aber passend, »Im Liebe Eurer Hilde« ansahen. Dieses sehr bewegende Epos mit einer phänomenal aufspielenden Lift-Lieder-Fries als Hilde Koppi, Mitglied der wenig bekannten Widerstandsgruppe »Rote Kapelle«, ist ein grobkörnig gefilmtes, lichtdurchflutetes Meisterwerk.
Im Laufe des Filmes entwickelt die zunächst biedere Hilde eine immer größere Liebe zu Hans, unterstützt seine Widerstandstätigkeit und wächst über sich hinaus. Ihre spätere Todesstrafe trifft die Zuschauenden ins Mark. Zu welch unvorstellbaren Grausamkeiten angezählte Terrorregime fähig sind, ist Gesprächsstoff der ersten Segaminuten, auch weil ich gerade das Buch »Die bodenlose Grube« der Lüneburger Richterin und Autorin Regina Claßen lese. Dort geht es um Auslöschungen ganzer Dorfgemeinschaften während des Vichy-Regimes in Frankreich der 1940er Jahre und deren juristische Nichtfolgen im Nachkriegsdeutschland.
Besonders beeindruckend ist Liv-Lisa Fries' Spiel »In der Todeszelle«, und allein die Vorstellung, man selber oder ein naher Angehöriger müßte sich einem solchen Schicksal stellen, lässt erschaudern. Schauspielerisch, so frage ich mich, ist wohl das Einlassenmüssen auf die eigene Todesangst die größte Herausforderung, wobei große Emotionen manchmal auch leichter zu spielen sind als kleine Feine. Ich berichte eh im Folgenden von meinem neuen Job als Assistent und Pfleger von zwei körperlich eingeschränkten jungen Männern, den ich als zweites Standbein achtzehn Stunden in der Woche ausübe, wie ich selbst in diesem Job das Gefühl habe, schauspielerische Arbeit zu leisten, hochkonzentriert und unterhaltsam sein müssend, und wie der Lebensmut der Eingeschränkten auf mich abhört.
Dazu passt, dass an diesem Abend im Nebenraum eine inklusive Diskoveranstaltung stattfindet, ich in der Vorbereitung des Raumes kurz mittanze und wir die ersten zwanzig Minuten unserer Unterhaltung noch mit musikalischer Untermalung verbringen. Wenn man einen Workshop startet als Schauspielender, dann ist man neben dem, was man da so lernt, auch in eine Tagesstruktur eingebunden, was E als hilfreich betitelt und was ich aus eigener Erfahrung unterschreiben kann. Meistens denkt man während eines solchen Workshops, oh, jetzt geht da was los für mich in diesem Bereich.
Oft ist es auch so, aber genauso oft passiert schauspielerisch dann auch nochmal was ganz anderes. Entscheidend ist, dass man sich auf den Weg gemacht hat, denke ich, als Schauspielender in Bewegung bleiben, nicht an Vergangenem festkleben. E berichtet, dass sie um den Bildungsgutschein, der diesen Workshop finanziert hat, kämpfen musste. Erst bei der Arbeitsvermittlung der Lüneburger AFA sei sie erfolgreich geworden. Sie hat sich allerdings der Frage gegenüber gesehen, ob sie im richtigen Alter für diese Qualifikation sei, was sie gut rechtfertigen konnte.
Man kann nur sagen, dass gerade im sogenannten schwierigen Alter für schauspielende Frauen und mittlerweile auch Männer eine Zusatzqualifikation und Beschäftigung vonnöten ist, um überhaupt im Beruf zu bleiben. Als Mittelalter-weißer Zissmann gehöre ich zur Zeit auch nicht unbedingt zum händeringend gesuchten Fachpersonal im Schauspiel. Diversifizierung ist das berechtigte Gebot der Stunde. Trotzdem tut es weh. Wenn Schauspielende und andere KünstlerInnen eine Zeit lang keine Aufträge bekommen, dann denken sie schnell, es läge an ihnen persönlich. Ein erfolgreicher Coach für Bildende Kunst hat in einem Interview der Süddeutschen Zeitung aber bestätigt, es liegt unter anderem an geschlossenen Netzwerken der oberen Zehntausend und an allem anderen, nicht aber an der eigenen Qualität.
Nun, versuchen wir doch mal, die geschlossenen Netzwerke ein wenig zu öffnen, indem wir uns zusammenrotten. Das haben KünstlerInnen zu allen Zeiten getan. Um alles kämpfen zu müssen, sei es im Behindertenbereich oder in der Kunstausübung, kann Nürbe machen. Oder aber auch stark. Natürlich nur, wenn es auch Erfolgserlebnisse gibt. Nun, E! hat Erfolg. Und sie bestärkt den Austausch der Lüneburger Spielengruppen, z.B. den Theater zur Weinwelt, die gerade eine zweite Staffel des Kneipenklassikers Nick Hornby's State of the Union auflegen.
Austausch, Zusammenarbeit, das ist angesagt. Es ist nötig, sowohl politisch, z.B. durch Bürgerräte oder Volksabstimmungen, als auch gesellschaftlich durch vermehrtes Teilen voneinander lernen und helfen. Was ich meine, das ist z.B. dies. Die Ratsbibliothek in Lüneburg bietet auch eine Bibliothek der Dinge an. In der kann man sich z.B. technische Geräte leihen. Alle können, sollen, dürfen mithelfen, kreativ die Veränderungen zu gestalten, die notwendig sind. Gegen Ende unserer SEGA-Veranstaltung reden wir auch noch übers Schreiben von eigenen Texten, z.B. für Monologe, wie sie als Vorlage für Veranstaltungen wie Meals for Monologues dienen können.
Da spielt es sich mit den selbstformulierten Worten manchmal besser als mit den abgekupferten Szenen großer Autoren und DarstellerInnen. Im Zuge dieser kleinen Diskussion erzählt E. von ihrem eigenen Meals for Monologues Monologue und nebenbei auch noch von einem Kurzfilmprojekt, für welches sie schreibt. Und ich selber berichte auch von einem gefilmten Projekt aus der Corona-Zeit, Feuerland, auf meinem YouTube-Kanal. Selber Schreiben führt oft früher oder später zu einer inneren Blockade. Dann ist die Frage, dem Instinkt trauen, was richtig erscheint, oder die Werke mit MitstreiterInnen oder HelferInnen Coaches teilen, um auf neue Ideen zu kommen oder Verbesserungen einzuleiten.
Beide Wege sind möglich und nötig. Als ich nach Hause komme und in den Spiegel gucke, stelle ich fest, dass ich zwei große Spaghetti-Soßenswecke auf dem T-Shirt habe, mit denen ich den ganzen Abend beschritt und auf welche mein Gegenüber sich erstarren musste, während ich ernste Reden hielt. Auch schon wieder eine Filmszene, eine tragikomische, denke ich. Liebe ZuhörerInnen, Freunde der SEGA, liebe SchauspielkollegInnen und alle anderen Zuhörenden, ich freue mich, dass ihr wieder bis zum Ende zugehört habt. Mir bleibt nur noch übrig zu sagen, es gibt SEGA jetzt auch auf TikTok unter ichpacks-sega-groß geschrieben.
Wenn ihr einen kleinen Beitrag dort veröffentlichen wollt, schickt ihn mir gerne. Ansonsten freue ich mich, wenn die eine oder der andere Lust hat, sich interviewen zu lassen und sich sozusagen auch als Zigant zu outen. Dann würde ich das im Rahmen einer Interview-Reihe auch auf diese Webseite stellen wollen. Man kann dieses Interview ja auch verwenden, um sich zum Beispiel mit einem Projekt vorzustellen oder sich als Lüneburger Schauspielender zu präsentieren, auch mal in einem Audio-Format. Macht sich sicherlich gar nicht so schlecht in einer Bewerbung, auch für Theater oder wo auch immer.
Ich bin dran, dass wir uns mit der SEGA vielleicht mal bei Radio ZUSA in Lüneburg vorstellen können. Das ist ein weiteres Projekt von mir. Und so geht es immer weiter und die nächste SEGA findet am 22. Oktober um 19 Uhr im Mosaik in der Katzenstraße 1 statt in Lüneburg. Und ich freue mich, wenn ihr mir eure Themenwünsche per Mail an sega-in-skoda.de sendet. Und dann bleibt mir euch eine schöne, glückliche, erfolgreiche und vor allem gesunde Zeit zu wünschen.
Bis bald, euer Martin Skoda. Untertitel der Amara.org-Community © Amara.org